38 Das Veuische Reich und seine einbelnen Slieder. (Jannar 25./26.)
daß nicht Pamphletisten und Schreier im Landtage Sitz hatten (große
Heiterkeit rechts), Leute, welche die Interessen des Landes ihrer Eitelkeit
und Neuerungssucht zum Opfer zu bringen geneigt sind. (Lebhafte Zustim-
mung rechts.) Noch ein paar Worte zur Stellung der Freisinnigen.
Sie wollen doch die konservative Mehrheit im Hause vernichten. (Zuruf
links: Das wäre kein Fehler.) Herr Herold hielt Ihnen ja schon Ihre
große Bedeutung vor Augen, aber bedenken Sie doch: wenn der Block zer-
fliegt, wo sind Sie? (Heiterkeit.) Nun sollen wir eine societas leonina
mit Ihnen abschließen. Sie wollen uns unsern Einfluß nehmen und da
sollen wir noch vor Ihnen eine höfliche Berbeugung machen, und zur Ver-
wirklichung Ihrer Wünsche mitwirken. (Sehr gut! rechts.) Der Abg.
Bebel hat einmal in den neunziger Jahren gesagt: Sie müssen ja selbst
zugeben, wenn Sie in Preußen das Reichstagswahlrecht einführen, dann.
graben Sie sich Ihr eigenes Grab, und Herr David hat noch im vorigen
Jahre ausgesprochen: es kommt zunächst darauf an, den stärksten Pfeiler
Preußens, das Dreiklassenwahlrecht, zu stürzen. Eigentümlich ist, daß die
freisinnigen Parteien in Lübeck und Hamburg für die Verschärfung des
Wahlrechts sind. (Zuruf rechts: Rixdorf!) Sind es in Rixdorf Agrarier
oder Konservative oder Reaktionäre gewesen? Ich komme nun zu den
Nationalliberalen. (Große Heiterkeit.) Sie dürfen mir es nicht übel
nehmen, Sie sind mit großen Erwartungen in den Wahlkampf gezogen.
Sie wollen es mir nicht verdenken, aber Sie bewegen sich mit Ihren
Wahlrechtsanträgen auf einer schiefen Ebene. (Sehr richtig! rechts.) Ihnen
schweben die Dinge in Belgien vor, wo der Liberalismus das Plural--
wahlrecht einführte, aber es hat ihm die Herrschaft nicht gebracht. Weiter
hat man dort das Proportionalwahlrecht oder „das Proporz“ verlangt,
aber die letzten Wahlen haben dort gezeigt, daß die Liberalen noch nicht
die Mehrheit haben. Vielleicht kommen bei uns die Liberalen noch mit
ganz andern Anträgen, aber ob sie dem preußischen VBaterland zum
dauernden Segen gereichen, ist zweifelhaft. Die Nationalliberalen sind
tatsächlich die Bäter des Dreiklassenwahlrechts. Herr Traeger sagte im
vorigen Jahr, man hätte durch Einführung des Dreiklassenwahlrechts
frühere Errungenschaften beseitigt. Ich habe hier ein Buch: Die Geschichte
des Wahlrechts von dem frühern Abgeordneten v. Gerlach. (Heiterkeit.)
In diesem Buch von Gerlach heißt es: „Niemand weiß, woher
das Dreiklassenwahlsystem gekommen ist; mit einem Male war
es da.“ (Heiterkeit rechts.) Es ist festgestellt von dem Prof. v. Gneist,
daß er zu den vertraulichen Vorbesprechungen 1848 zugezogen worden ist.
(Hört, hört! rechts.) Er verweist darauf, daß es rheinische Liberale
gewesen sind, die besonders auf die guten Erfahrungen mit der rheinischen
Landgemeindeordnung hingewiesen haben. Als damals das neue Wahl-
recht aufoktroyiert wurde, jubelten nicht die Agrarier, sondern die Börse,
weil sie wußten, daß für die Arbeit im Lande nun die Zeit der Erholung
kommen würde. Die größten Nationalliberalen — ich nehme die An-
wesenden wieder aus (stürmische Heiterkeit rechts) — Sybel, Dernburg
und neuerdings Prof. Jellineck haben sich scharf gegen das geheime
Wahlrecht erklärt. Auch Herr Schmieding hat sich beim Berggesetz sehr
scharf gegen das geheime Wahlrecht ausgesprochen. Nun haben die Jung-
liberalen dasselbe gesagt, was sie in ihrem Namen bringen. Hier gilt das.
Wort: Mit den Fünfzigern ist er vernünftig. Sie haben sich von diesen
Anträgen bei der Wahl sehr viel versprochen. Der Erfolg ist geradezu
kläglich. Auch das Wort Kulturkampf hat nicht gezogen; die Mehrheit
des preußischen Volkes will auch von einem Kulturkampfe nichts wissen.
Ich danke denjenigen Elementen, die mit den Konservativen auf demselben