Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

82 No Neutsche Reich und seine einjelnen Slieder. (Maͤrz 4. 6.) 
Gesamtbetrag der zu entrichtenden Abgabe wird alljährlich durch den 
Reichshaushaltsetat bestimmt; er darf bis zum 1. April 1914 die Summe 
von 100 Millionen Mark nicht überschreiten. Zu dem bezeichneten Zeit- 
punkt und weiter von fünf zu fünf Jahren kann der Höchstbetrag erhöht 
werden, jedoch um nicht mehr als fünf vom Hundert des für den vor- 
hergehenden Zeitraum bestimmten Höchstbetrages. Für eine Aenderung 
dieser Bestimmungen gilt die Vorschrift des Artikels 78 Abs. 1 der Reichs- 
verfassung. § 3. Der von den einzelnen Bundesstaaten zu entrichtende 
Betrag ist auf Grund der Ergebnisse der Veranlagung zu Einkommen-, 
Vermögen= und sonstigen Besitzsteuern vom Bundesrat nach einheitlichen 
Grundsätzen festzustellen. Die Unterlagen hierfür sind von den Bundes- 
staaten nach näherer Anordnung des Bundesrats zu beschaffen. Alle fünf 
Jahre findet eine neue Feststellung statt. § 4. Die auf die einzelnen 
Bundesstaaten entfallenden Beträge dürfen nur durch allgemeine Steuern 
auf Einkommen, Vermögen oder Erbschaften aufgebracht werden. In den 
Staaten, in denen weder eine allgemeine Einkommensteuer noch eine all- 
gemeine Vermögensteuer besteht, sind als Vermögensteuer auch Ertragsteuern 
von Grund= und Gebäudebesitz sowie vom Kapital anzusehen, sofern sie in 
Verbindung miteinander erhoben werden. Einkommen bis zu 3000 Mark 
sowie solche Vermögen, die nach Abzug der Schulden den Betrag von 
20000 Mark nicht erreichen, sind von der Steuer freizulassen. Die Be- 
steuerung der Erbschaften darf nur nach Maßgabe der §8 59, 60 des Erb- 
schaftssteuergesetzes vom 3. Juni 1906 erfolgen. §. 5. Soweit die Beiträge 
nicht durch neue Steuern der im § 4 bezeichneten Art erhoben werden, 
sind sie durch Zuschläge zu bestehenden Steuern dieser Art aufzubringen. 
Für Bundesstaaten, in denen Landesgesetze, die eine solche Regelung sicher- 
stellen, nicht rechtzeitig erlassen werden, bestimmt der Bundesrat, daß und 
in welcher Weise Zuschläge zu den bestehenden Steuern der in § 4 be- 
zeichneten Art erhoben werden müssen. 8 6. Von den Beschlüssen des 
Bundesrats (88 3, 5) ist dem Reichstag alsbald Mitteilung zu machen. 
§8 7. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft mit 
der Maßgabe, daß die Erhebung der Besitzsteuer spätestens vom 1. April 
1911 ab erfolgt.“ 
Beide Anträge wollen also eine Besitzsteuer auf dem Umwege über 
die Einzelstaaten; beide wollen diese Steuer aus Einkommen und Ver- 
mögen nehmen, der Kompromißantrag außerdem noch aus Erbschaften; 
beide wollen das Vermögen in den Einzelstaaten nach einheitlichen Grund- 
sätzen ermitteln; beide wollen den zu erhebenden Betrag alljährlich durch 
Reichsetatgesetz feststellen. Daneben will der Kompromißantrag die Besitz- 
steuer bis zum Jahre 1914 auf 100 Millionen bemessen und sie dann von 
fünf zu fünf Jahren um höchstens 5 v. H. erhöhen, während der Zentrums- 
antrag bis 1913 150 Millionen wünscht, unter gleichzeitiger Aufhebung 
der Matrikularbeiträge. 
4. März. Auf ein Telegramm des reichstreuen Vereins zu 
Lichtentanne antwortet der Reichskanzler: 
„Ich halte an dem Vertrauen fest, daß der in einer Zeit nationalen 
Aufschwungs gewählte Reichstag dem Mandate des deutschen Volkes durch 
eine den vaterländischen Interessen entsprechende Erledigung der Reichs- 
finanzreform treu bleiben wird.“ v. Bülow. 
4./5. März. (Reichsfinanzreform.) Die Branntweinsteuer- 
vorlagen und der Tabaksteuerentwurf werden besonderen Unter- 
kommissionen zur Vorberatung überwiesen.
	        
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