Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

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gesetzes und der Gebührenordnung für Notare werden einer be- 
sonderen Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen. 
5. Februar. (Grunewald-Berlin.) Geh. Legationsrat 
Dr. Wilhelm Knappe, der früher als Konsul in Samoa und in 
Schanghai Berühmtheit erlangt hatte, f. 54 Jahre alt. 
5. Februar. Die Presse über die Wahlrechtsvorlage. 
Der „Vorwärts“ erklärt sie für eine „brutale und höhnische Kriegs- 
erklärung“". Mindestens drei Viertel der Wähler werden auch künftig der 
dritten Klasse, der Klasse der Rechtlosen, angehören! Dagegen ist die 
Dreiklassenschmach noch verschärft worden durch die Heraushebung aller 
Besitzenden aus der Klasse der Wahlrechtsheloten! Die klerikale „Köl- 
nische Volkszeitung" schreibt: Die Aufrechterhaltung der öffentlichen 
Stimmabgabe allein schon macht für uns die ganze Wahlrechtsvorlage un- 
annehmbar . Soweit der Entwurf jetzt nach dem Auszug zu beurteilen 
ist, ist er wohl im wesentlichen den Nationalliberalen auf den Leib zu- 
geschnitten, im übrigen aber in dieser Form allen übrigen Parteien doch 
wohl unannehmbar ..Was die amtliche Begründung für die Beibehaltung 
der öffentlichen Wahl vorbringt, sind Ladenhüter ältester Art und so schwache 
Argumente, daß man fast vermuten könnte, die Regierung habe die ge- 
heime Wahl nicht in die Vorlage gebracht nur deshalb, um in ihr ein 
Handelsobjekt für die weiteren Beratungen und Verhandlungen mit den 
Parteien zu haben. Die „Deutsche Tageszeitung“ glaubt, daß „für 
den Entwurf, wie er jetzt dem Abgeordnetenhause zugeht, die Regierung 
kaum eine Mehrheit finden“ wird. Bei der Abgrenzung der Abteilungen 
müsse die Bevorzugung des Beamtentums vor den selbständigen erwerbenden 
Ständen die schwersten Bedenken wachrufen, besonders auf dem platten 
Lande und beim Handwerke. In gleichem Sinne schreibk der konservative 
„Reichsbote“: Man muß sich wundern, daß nicht auch die seit einer ge- 
wissen Zeit selbständigen Gewerbetreibenden, die Handwerksmeister, welche 
Real- und Gewerbeschulbildung besitzen, den zivildienstberechtigten Unter- 
offizieren mit zwölfjähriger Dienstzeit oder einem aus der Sekunda einer 
Realschule oder Presse hervorgegangenen Einjährigen mindestens gleich ge- 
achtet und also an der Versetzung in die zweite Klasse beteiligt werden. 
Auch bei den Bauern ist mancher, der, was politisches Verständnis anlangt, 
einem alten Unteroffizier, der sich zwölf Jahre lang gar nicht mit Politik 
hat beschäftigen dürfen, mindestens gleichberechtigt zur Versetzung in 
die zweite Klasse. Der „Reichsbote“ hofft, daß die Regierung fest bleiben 
wird im Kampf um die geheime Wahl: Die Haltlosigkeit der Regierung 
hat viel verdorben; hoffentlich prästiert der neue Reichskanzler die für 
solche große Aktion notwendige klare Festigkeit. Die „Kreuzzeitung"“ 
bezeichnet es als das Beste, was man zum Lobe der Wahlrechtsvorlage 
sagen kann, „daß sie sich vom Reichstagswahlrecht sehr fern hält“. Was 
in der Begründung der Vorlage gegen die geheime Wahl gesagt wird, ist 
eine geradezu vernichtende Kritik am Reichstagswahlrecht. Für die in- 
direkte Wahl begeistert sich kaum noch jemand; ob es aber durchaus nötig 
ist, sie zu beseitigen, da sie doch für die engeren Verhällnisse in schwach 
bevölkerten ländlichen Wahlkreisen noch keineswegs unpraktisch ist, hängt 
von Zweckmäßigkeitserwägungen ab, zumal für die Beseitigung eine Ver- 
fassungsänderung nötig ist, die man doch nur aus zwingenden Gründen 
vornimmt. Die „National-Zeitung" schreibt: „Die nationalliberale 
Partei hat ihre Reformwünsche in den bekannten fünf Forderungen nieder-
	        
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