Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Penitsqe Reiq und seine einzelnen Glieder. (Februar 12. 13.) 127 
Biele Gewerbetreibende können überhaupt nicht wählen, weil sie unter dem 
Terrorismus zu leiden haben. Die Sozialdemokratie gibt den Terrorismus 
offen zu, die Rechte leugnet ihn. Aber in Wirklichkeit wird er auch von 
ihr ausgeübt. Im Herrenhaus wurde es offen ausgesprochen, daß das 
öffentliche Wahlrecht dazu da sei, um einen Druck ausüben zu können. 
Die Debatte wird geschlossen und die Vorlage an eine Kommission 
von 28 Mitgliedern verwiesen. 
12. Februar. (Reichstag.) Fortsetzung der zweiten Lesung 
des Militäretats. 
In Bezug auf den Verkauf des Tempelhofer Feldes beantragt die 
Kommission eine Resolution, daß bei dem Verkauf das öffentliche Interesse 
zu wahren sei. 
Berichterstatter Abg. Erzberger (3Z.) erläutert die Resolution da- 
hin, daß die Kommission damit in keiner Weise das Kriegsministerium habe 
auf eine bestimmte Richtung festlegen wollen, man könne sich den Verkauf 
an die Stadt Berlin aber auch so denken, daß z. B. die Militärverwaltung 
einen großzügigen modernen Bebauungsplan anfertigen läßt und auf Grund 
desselben das Terrain stückweise verkauft. 
Die Resolution wird angenommen. (Siehe 9. Februar!) 
12. Februar. (Reichstag.) Die Wahlprüfungskommission 
des Reichstags beschloß beim Plenum die Ungültigkeit der Wahl 
des Abg. Wehl (Nl.) Celle-Peine-Gifhorn zu beantragen, 
weil die Kriegervereine als politische Vereine und die Stimmen der 
Mitglieder dieser Vereine als beeinflußt anzusehen seien. 
12. Februar. (Elsaß-Lothringen.) Der gemeinschaftliche 
Verfassungsantrag aller Fraktionen und Gruppen des Landesaus- 
schusses. 
1. Der Landesausschuß wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, 
mit aller Kraft darauf hinzuwirken, daß die verbündeten Regierungen dem 
Reichstag alsbald einen Gesetzentwurf vorlegen, durch welchen bestimmt 
wird, daß die Verfassung des Deutschen Reiches sowie das Reichsgesetz be- 
treffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens dahin ab- 
geändert werde, daß Elsaß-Lothringen zum selbständigen Bundesstaate er- 
hoben und als solcher den deutschen Bundesstaaten verfassungsrechtlich völlig 
gleichgestellt wird. 2. Der Landesausschuß wolle beschließen, die Regierung 
zu ersuchen, mit aller Kraft darauf hinzuwirken, daß die verbündeten Re- 
gierungen dem Reichstag alsbald einen Gesetzentwurf vorlegen, durch welchen 
bestimmt wird: Daß der Landesausschuß von Elsaß-Lothringen oder die 
bei der Erhebung zum Bundesstaat zu schaffende Volksvertretung aus dem 
allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht unter Anwendung 
des Proportionalverfahrens hervorgehen soll. 
13. Februar. (Berlin.) An den Anschlagsäulen findet sich 
folgende Bekanntmachung. 
Es wird das „Recht auf die Straße"“ verkündet. Die Straße dient 
lediglich dem Verkehr. Bei Widerstand gegen die Staatsaewalt erfolgt 
Waffengebrauch. Ich warne Neugierige. Berlin, den 13. Februar 1910. 
Der Polizeipräsident. v. Jagow.
	        
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