Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

128 Das Veuische Reich und seine einzelnen Glieder. (#April 6.) 
gegeben haben. Die Etats der sechs Großmächte für 1912/13 zeigen nach 
den weiteren Berechnungen von Schwarz, erneute Zunahme und eine Ge- 
samtausgabe von 7 Milliarden Mark gegen 6½ Milliarden im Durchschnitt 
selbst des letzten Jahrzehnts: 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
· -!.. . Ruß- n 
nn Peant, Le. Jaten, 
in Millionen Mark 1 
Heer 1096 569 840 498 339 12194551 
Flotte 484 899 397 119 13590 855 2444 
zusammen1570 1468 1237 617 529 1574/ 6995 
6. April. (Charlottenburg.) Der berühmte Physiker Pro- 
fessor Slaby 1, 64 Jahre alt. 
6. April. (München.) Der Historiker Henry Simonesfeld f. 
61 Jahre alt. 
7. April. (Reichstag.) Einbringung der Wehrvorlage. 
Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg: Die Ihnen zur An- 
nahme unterbreitete Wehrvorlage fordert die Verstärkung unserer Wehr- 
macht, welche nach dem einmütigen Urteil unserer militärischen Autoritäten 
notwendig ist, um die Zukunft Deutschlands zu sichern. Wir nutzen gegen- 
wärtig die Wehrkraft unserer Bevölkerung nicht voll aus. Rund 280000 
Rekruten stellen wir jährlich ein. Aber die militärtaugliche junge Mann- 
schaft Deutschlands ist so stark, daß wir jährlich einige 60000 mehr ein- 
stellen könnten. Trotz der Verstärkungen, die wir periodisch und noch im 
vorigen Jahre vorgenommen haben, hat die Entwicklung unseres Heeres 
mit dem Wachstum der Bevölkerung nicht gleichen Schritt gehalten. Sollte 
uns jetzt ein Krieg aufsgenötigt werden, so können und werden wir ihn 
schlagen im sicheren Vertrauen auf die Tüchtigkeit und Tapferkeit unseres 
Heeres. (Lebhafter Beifall.) Aber die Frage ist nur die: können wir uns 
weiterhin den Luxus gestatten, auf Zehntausende von ausgebildeten Soldaten 
zu verzichten, die wir haben könnten, die wir aber jetzt nicht einstellen? 
Kein Mensch weiß, ob und wann uns ein Krieg beschieden sein wird. 
Aber soweit menschliche Voraussicht reicht, wird kein europäischer Krieg 
entbrennen, in den nicht auch wir verwickelt sein werden. Dann werden 
wir um unsere Existenz zu kämpfen haben. Wer will die Verantwortung 
dafür tragen, daß wir bei einem Ringen auf Leben und Tod nicht so 
stark sind, wie wir stark sein könnten? (Lebhafte Rufe: Sehr richtig!) 
Dieser Gedanke hat sich in den letztverflossenen Monaten einem jeden mit 
elementarer Gewalt aufgedrängt. Vom Anfang des Balkankrieges an 
ist es das Bestreben aller Großmächte gewesen. den Krieg zu lokalisieren. 
Keine Großmacht hat an den territorialen Veränderungen auf dem Balkan 
teilhaben wollen. Trotzdem hat lange Zeit eine Spannung bestanden, 
welche die beiden mit ihrem Interesse am nächsten beteiligten Großmächte 
Rußland und Oesterreich-Ungarn zu außergewöhnlichen militärischen 
Maßregeln veranlaßte. Ich will nicht sagen, daß in irgendeinem Augen- 
blick der Krieg unmittelbar vor der Türe gestanden hat. Aber es hat 
wiederholt des Verantwortungsgefühls der zunächst Interessierten bedurft, 
um bestehenden Meinungsverschiedenheiten und Interessengegensätzen die- 
jenige Schärfe zu nehmen, welche zu einem gewaltsamen Ausbruch hätte 
führen können. Europa wird dem englischen Minister der auswärtigen
	        
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