Das Beutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 7.) 133
wir es bisher gewesen sind. Den negativen Beweis haben Jahrhunderte
der Geschichte des alten Deutschen Reiches geführt, den positiven die Zeit
seit 1870.
Von der englischen Ministerbank ist in der letzten Zeit wieder-
holt betont worden, daß bei voller, unveränderter Aufrechterhaltung der
bestehenden Mächtegruppen Fäden der Freundschaft von den Mächten der
einen Gruppe zu denen der andern hinüberlaufen könnten. Dem stimme
ich bei und möchte es dahin erweitern, daß solche Fäden der Freundschaft
gesponnen werden müssen. Wir werden das um so leichter tun können, je
sicherer wir in richtiger Stärke sind. Nun, meine Herren, politische Freund-
schaften sind — wir wollen nicht sentimental sein — politische Geschäfte.
Und wie im wirtschaftlichen Geschäftsleben, so schließen sich auch im poli-
tischen Geschäfte am besten und leichtesten zwischen starken Partnern ab.
Der Schwächling kommt unter die Räder. Ich habe schon betont, daß
wir unsere Beziehungen zur russischen und zur französischen Regierung
pflegen. Wie ich glaube, nicht ohne Erfolg. Dasselbe gilt von England.
Von unserer gemeinsamen Arbeit auf der Botschafterkonferenz habe ich ge-
sprochen. Minister Churchill hat in der großen Rede, die er neulich ge-
halten hat, das Stärkeverhältnis zwischen der englischen und der deutschen
Flotte beleuchtet, und hat dabei einen Gedanken wiederholt, den er schon
vor einem Jahre im Parlament ausgesprochen hat, den Gedanken, daß
zur Verminderung der Rüstungskosten die Schiffswerften der großen Mächte
von Zeit zu Zeit ein Jahr lang Feiertag machen möchten. Minister
Churchill hat diesen Vorschlag speziell an uns Deutsche gerichtet und zwar
für 1914 oder 1915. Aber er hat anerkannt, daß alle Großmächte sich an
dieser Kontingentierung beteiligen müßten. Die Marinesachverständigen
diesseits und jenseits der Nordsee haben schließlich übereinstimmend auf
die Schwierigkeiten hingewiesen, die die Ausführung dieses Problems in
sich birgt. Minister Churchill selbst hat diese Schwierigkeiten zugegeben,
auch ist mir nicht bekannt, daß sein Gedanke in der öffentlichen Meinung
Englands oder im englischen Parlament besonderen Anklang gefunden
hätte. Wir werden also abwarten können, ob die englische Regierung mit
konkreten Vorschlägen hervortreten sollte. Aber, meine Herren, die Tat-
sache, daß dieser Gedanke in dieser Form vom englischen Marineminister
ausgegangen ist, bedentet doch einen großen Fortschritt. Es gab eine Zeit,
wo jedes Wort, das einem Vergleich der englischen und der deutschen
Marine, des englischen und des deutschen Schiffbaues galt, zu einer naval
scare, zu einer Flottenhetze führte, die immer wieder die deutsch-englischen
Beziehungen vergiftete. Mir scheint, und ich hoffe es, daß diese Zeiten
der Vergangenheit angehören. Mir scheint, daß das Vertrauen zurück-
ukehren beginnt, das lange Zeit zum Schaden beider Länder und der
Welt gefehlt hat. Sie alle kennen die Worte, mit denen Minister Asquith
und Sir Edward Grey sich über die gegenwärtigen englisch-deutschen Be-
ziehungen ausgesprochen haben. Die Feststellung, daß diese Beziehungen
gut sind, kann auch ich nur bestätigen und freudig begrüßen. (Beifall.)
Minister Churchill hat seine Rede mit Worten geschlossen, die die ganze
Sicherheit einer ihrer selbst bewußten Kraft atmen. Er hat die Stärke der
englischen Seemacht gefeiert, der keine andere so nahe kommen dürfe, daß
sie Englands politische Einwirkung ablenken oder einschränken könne. Er
hat darauf hingewiesen, daß es keine Grosmacht gäbe, die nicht in diesen
Monaten der Besorgnis, Spannung und Gefahr dankbar gewesen sei, daß
der Einfluß Großbritanniens im enropäischen Konzert eine Wirklichkeit sei
und kein Schatten. und daß England frei und stark gewesen sei, um für
den allgemeinen Frieden zu wirken. Nun, meine Herren, es ist nichts