134 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. April 7.
anderes, als was wir wollen. Auch wir wollen stark und frei sein in der
Welt, nicht um andere zu bedrücken, sondern um uns frei und unabhängig
nach den Kräften der Nation zu entfalten und, wenn es nottut, unser Wort
mit dem vollen Gewicht unserer Stärke für den Frieden in die Wagschale
legen zu können. (Lebhafter Beifall.)
Ich habe Ihnen die Lage geschildert, wie ich sie sehe. Ich habe
weder schön gefärbt, noch schwarz gemalt. Wir alle sind nicht Herren dar-
über, ob sich unsere Zukunft friedlich oder bedrohlich gestaltet, aber wir
sind Herren darüber, ob wir einer ungewissen Zukunft mit gutem Gewissen
entgegensehen können oder nicht. Darüber erwartet die Nation jetzt Ihre Ent-
scheidung. Die Wehrfähigkeit des Volkes ist letzten Endes doch der Prüf-
stein seiner moralischen und physischen Kraft. Helfen Sie, daß die all-
gemeine Wehrpflicht, der Deutschland seine Wiedergeburt verdankt,
uns unverkürzt erhalten bleibt. Die Werte, die wir zu schützen haben,
steigen von Jahr zu Jahr. Getragen von der Bereitschaft weitester Volks-
kreise wird der Reichstag, wie ich zuversichtlich hoffe, vor der Größe der
Forderungen nicht zurückschrecken, die diese Vorlagen enthalten. Wir sprechen
von schweren Opfern, von ungeheuren Lasten. Wir hören die Klagen, daß
diese andauernde Verstärkung unserer Rüstungen entweder zu unserem finan-
ziellen Ruin oder zum Kriege führen würde. (Sehr richtig bei den Sd.)
Nun, meine Herren, die Sie „Sehr richtig!“ rufen, seit einem Menschenalter
haben wir und alle unsere Nachbarn gewaltige Summen für Rüstungen aus-
gegeben und noch bei jeder größeren Vorlage hat es geheißen: Jetzt kommt
der Krieg. Bisher ist der Friede erhalten geblieben. Die Balkankriege
von 1876 und jetzt, der Burenkrieg, der russisch-japanische und auch die
gegenwärtigen Spannungen haben mit den Rüstungen der europäischen Groß-
mächte nicht das Entfernteste zu tun. Und trotz der großen Summen, die
Deutschland für Rüstungszwecke aufgewendet hat, hat es niemals einen
Zeitraum gegeben, in dem wir uns wirtschaftlich so stark gemacht haben
wie jetzt, wo wir so leistungsfähig geworden sind in den Erfolgen unserer
Aufgaben für die soziale und kulturelle Entwicklung, wie auch in der
Lebenshaltung des einzelnen. Die Geschichte der ganzen Welt nennt uns
kein Volk, das zugrunde gegangen wäre dadurch, daß es sich in seiner
Wehrhaftmachung erschöpfte, wohl aber sehr viele, die verkommen sind, weil
sie aus Luxus und Wohlleben ihre Wehrhaftigkeit vernachlässigt haben (Bei-
fall!). Ein Volk, das nicht mehr opferwillig gesonnen ist, oder nicht mehr
reich genug zu sein glaubt, um seine Rüstungen instandzuhalten, zeigt
nur, daß es seine Rolle ausgespielt hat. Ich bitte Sie, über alle Schwierig-
keiten hinweg sich von dem einen Gedanken leiten zu lassen. Wenn uns
jemand Haus und Hof bedroht, dann stehen wir bereit bis auf den letzten
Mann. (Lebhafter Beifall, Zischen bei den Sd., wiederholter Beifall bei
der überwiegenden Mehrheit des Hauses.)
Kriegsminister v. Heeringen: Die Gründe, die die verbündeten Re-
gierungen bestimmten, wieder einmal eine solche Verstärkung der Wehr-
macht vorzulegen, hat der Reichskanzler Ihnen dargelegt. Es handelt sich da-
bei weniger um eine akute Gefahr, die heute bereits Deutschland drohen könnte.
Bei der Einführung des Gesetzes von 1912 wies ich bereits darauf hin, daß die
lleberlegenbeit. nicht gesucht werden könne in der Zahl, sondern im Mut und in
der guten Organisation. Aber die sachgemäße Arbeit, die unsere Nachbarn auf
die Vervollkommnung ihrer Heere verwenden, macht es auch uns zur Pflicht,
dasselbe zu tun. Wir müssen vor allem auch ziffernmaßig höher gehen.
Unter den heutigen Verhältnissen entwickeln wir unsere Zahl nicht mehr so.
Deutschland bedarf — das ist die Ueberzeugung aller verantwortlichen
Stellen — heute einer erheblichen Verstärkung seiner Wehrmacht, wenn