Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

140 Das Dertsqhe Reith und seine einzelnen Glieder. (April 7. 
einen Vortrag gehalten zur Verherrlichung Napoleons l., des größten Blut- 
saugers. Das war in diesem Erinnerungsjahr besonders angebracht. Ein 
Volk von 68 Millionen, so stark wie wir, unter der Führung eines Hohen- 
zollernfürsten, wird trotz des Ernstes der Lage seine Stellung und Macht 
bewahren. Unsere militärische Kraft kann uns außer Rußland kein 
anderer Staat Europas nachmachen. Bei dieser so starken Wehraushebung 
brauchen wir nicht einmal die Bestimmungen der Wehrordnung abzuändern. 
Die Ausführung der allgemeinen Wehrpflicht bringt uns zunächst die Wucht 
der Zahlen. Der liebe Gott ist immer mit den großen Bataillonen gewesen. 
Frankreich will für alle Waffen und auch für die Gebildeten des Volkes die 
dreijährige Dienstzeit wieder einführen. Das bedeutet eine Herabsetzung 
der Bildung der Nation. Ferner bringt uns die schärfere Aushebung die 
Verjüngung und damit zugleich die Verwirklichung des Prinzips der aus- 
gleichenden Gerechtigkeit. (Lachen bei den Sd.) Nicht in die Kasernen 
werden die jungen Leute gesteckt, wie Herr Haase behauptet hat, sondern 
aus den Bergwerken, aus den dumpfen Fabriken kommen sie zwei Jahre 
in die frische Luft und haben gesunde Bewegung. Sie lernen Vaterlands- 
liebe und Hingebung der eigenen Person an das große Ganze. (Zuruf bei 
den Sd.: Soldatenmißhandlung! Lachen r.) Sehr richtig ist auch die Ver- 
mehrung des Trainbataillons um eine fünfte Kompanic. Das allerwich- 
tigste aber ist die Erhöhung der Etats bei allen Waffengattungen. Abstriche 
werden von der Vorlage kaum gemacht werden können. Das deutsche 
Offizierkorps hat bisher seine große Stärke gehabt und Bedeutendes und 
Vorzügliches geleistet dadurch, daß es homogen war. Diese Gleichartigkeit 
aller Glieder des Offizierkorps wollen wir uns vor allen Dingen und un- 
bedingt erhalten, nicht Experimente machen, wie wir sie in Frankreich und 
Rußland vor Augen haben. Nach den zwei Klassen von Offizieren, wie sie 
dort vorhanden, sehnt sich unsere Armee nicht. Das abschreckendste Beispiel 
in dieser Beziehung, was die Einführung von fremden Elementen in eine 
Armee und ein Offizierskorps betrifft, ist wahrlich die türkische Armee, die 
früher so hoch angesehen nach jeder Richtung hin als tüchtig militärisch 
galt und nun durch die Einstellung von Christen, Juden, Armeniern usw. 
vollständig ihren Charakter, ihren Typ verloren hat, aus einer osmanischen 
und mohammedanischen Armee eben nur ein Gemengsel geworden ist und 
damit so schrecklich Schiffbruch gelitten hat. Auch der Unteroffizierersatz 
macht ja eine gewisse Sorge: aber die Heeresverwaltung hat da sehr weit- 
gehend vorgesorgt, indem sie in erfreulicher Weise einmal die Dienstprämien 
für die ausgedienten Unteroffiziere erhöht und zum zweiten auch noch für den 
Zivilversorgungsschein, der eventuell nicht verwendet wird, statt 1500 Mark 
3000 Mark zugesichert hat. Das sind entschieden erfreuliche Bedingungen 
für den Unteroffizier. Trotzdem aber, und trotzdem mir versichert worden, 
daß 1000 überzählige Unteroffiziere vorhanden sein sollen, ist die Schwierig- 
keit des Ueberganges aus der Truppe in die Zivilstellung immer noch sehr 
groß. Jeder, der sich persönlich damit beschäftigt, der die Leute selbst em- 
pfängt und die Klagen hört, wie sie jahrelang danach herumgehen müssen, 
weiß, welche gewaltige Schwierigkeiten es kostel, bis eine auskömmliche 
Stellung erreicht ist. Ein sehr schwerer und ernster Posten in der Wehr- 
vorlage ist nun noch der für den Festungsbau. 210 Millionen Mark sollen 
für Festungsbauten ausgegeben werden. Aber wenn uns von den tech- 
nischen Sachverständigen, vom Generalstab usw. nachgewiesen wird, daß 
unsere Grenzen stärker befestigt werden müssen, vor allen Dingen unsere 
Ostgrenze ganz anders und moderner geschützt werden muß, als es bisher 
der Fall war, so kann niemand von uns die Verantwortung übernehmen, 
dagegen anzukämpfen. Noch einmal erkläre ich, daß ich, wo ich auch in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.