Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 9.) 163
zurück, wir müssen die Würde des Parlaments wahren. (Stürmischer Beifall
I. und Zuruf: Das Zentrum schweigt! Große Bewegung im Hause.) —
Die Vorlage geht an die Budgetkommission.
Einführung des Gesetzentwurfes über den Wehr-
beitrag mit den übrigen Finanzgesetzen.
Staatssekretär des Reichsschatzamtes Kühn: Der Vorschlag des ein-
maligen Wehrbeitrags verliert das Ueberraschende bei näherer Be-
trachtng. Die Erinnerung an 1813 lag doch sehr nahe. Das Reich könnte
solche Beträge niemals durch eine Anleihe decken wollen. Im gegenwärtigen
Stadium unserer Finanzen in einer solchen Kriegszeit, wo Nolstand überall
herrscht, ist kein Raum für Anleihen. Die Moßnahmen, die wir mit der
Milliarde decken wollen, sind eine Forderung an die Gegenwart, die wir
nicht von der Zukunft bezahlen lassen können. Die alte Schuldenwirtschaft
durfte durch neue Anleihen nicht wieder eröffnet werden. Ganz das Gegen-
teil wird bei der jetzt vorgeschlagenen Maßnahme bezweckt. Die verbündeten
Regierungen schlagen vor, unter Vorantritt der Fürsten ohne Unterschied
des Standes und der Person die Mittel aufzubringen, damit die Wider-
standsfähigkeit gegen jeden, noch so stark gerüsteten Feind, aufs neue ge-
sichert werde. Ueber die Einzelheiten wird noch zu sprechen sein, das wird
in der Kommission geschehen. Die wesentlichsten Bedenken werden sein, daß
die Leistungsfähigkeit der in Betracht kommenden Persönlichkeiten nicht fest-
gestellt sei. Es wird überhaupt unmöglich sein, mit einer Besitzsteuer die
bLeistungsfähigkein der einzelnen voll zu erfassen. Man muß sich an er-
reichbare Dinge halten. Der Wehrbeitrag sollte einfach und übersichtlich
sein, den Charakter der einmaligen Opfergabe nicht verlieren. Es dürfte
unter keinen Umständen irgendeine Wiederholung des Wehrbeitrages in
Aussicht genommen werden, wenn der Charakter nicht verloren gehen sollte.
Die lex Bossermann wird durch den Wehrbeitrag eng berührt. Es ist ge-
sagt worden, sie werde durch den Wehrbeitrag schon erschöpft. Ich enhckt
mich eines Urteils darüber. Die verbündeten Regierungen schlagen ja ein
besonderes Besitzsteuergesetz vor. Es fällt ihnen jetzt eine wesentlich
andere Aufgabe zu als im Jahre 1909. Die Steuer soll jetzt sehr wesentlich
zur Deckung der Ausgaben beitragen. Mehr als 80 Millionen, also bei-
nahe die Hälfte der fortlaufenden Ausgaben, soll daher genommen werden.
Eine reine Reichsvermögenssteuer ist aussichtslos. Eine Erbschaftssteuer
empfahl sich ebenfalls nicht. Diese empfahl sich wenigstens nicht in der
früheren bekannten Form, ganz abgesehen davon, daß es nicht geraten schien,
dieses Wort in die Parteien zu werfen, das nicht ausgenommen werden
konnte nach den Erfahrungen vor ein paar Jahren. (Widerspruch links.)
Auch tritt der Wehrbeitrag hier hemmend ein. Ein Vermögen, das einer
solchen Abgabe unterlegen hat, kann nicht kurz hinterher schon wieder
einer Besteuerung im Falle der Erbschaft unterzogen werden. 50 bis
60 Millionen sollte diese Steuer früher bringen. Das hätte auch den Be-
darf nicht gedeckt. Die Einbringung des Wehrbeitrages wies von selbst
auf die Einbringung der Steuer vom Vermögenszuwachs hin. Ein
Mangel der Erbschaftssteuergesetze bisher war, daß die Steuer beim Tode
des Ernährers, im Momente tiefer Trauer eintrat. Die Steuerkraft be-
rücksichtigt nicht und konnte nicht berücksichtigen die Steuerkraft des Ver-
mögens selbst. Es gibt unter allen Gesetzen nicht eines, das befriedigend
das mobile Kapital, das sich sehr leicht entziehen kann, treffen könnte. Die
Ausführung begegnet sehr großen Schwierigkeiten. Es bestand also kein
Grund, die bestehenden Parteischwierigkeiten zu vermehren. Bei den Bundes-
regierungen bestehen schwerwiegende Bedenken dagegen, daß die reichsgesetz-
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