Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 10.) 173
auch die vielen, vielen kleinen Geschäftsleute unendlich hart und schwer
trifft, die ihr Kreditbedürfnis kaum oder nur zu ganz enormen Zinsen
befriedigen können, daß diese Beunruhigung noch unendlich viel größer sein
würde als bei dem vorgeschlagenen Wehrbeitrage. Meine politischen Freunde
sind der Meinung, daß man nicht unter allen Umständen die Grenze des
Vermögens stark nach oben setzen soll. Es kann jemand, der über ein
großes Einkommen verfügt, auch von den 10000 Mark Vermögen, die er
hat, einen Wehrbeitrag abgeben. Die Grenze kann bestehen bleiben; aber
man soll die Leistungsfähigkeit des einzelnen in Betracht ziehen und soll
sagen: wer ein Vermögen unter 50000 Mark hat, soll von der Steuer frei
bleiben, wenn er den Nachweis führt, daß er ein Einkommen von be-
stimmter Höhe, sagen wir von 2000 bis 3000 Mark, nicht erreicht. Ich muß
aber bei dieser Gelegenheit noch die Frage der Steuerfreiheit der
Fürsten erwähnen. Ich schicke vorweg: der Wortlaut des Gesetzentwurfs
schließt meines Erachtens die Steuerpflicht der Landesfürsten in sich. Ich
habe mit großen anerkannten Autoritäten der Jurisprudenz gesprochen,
und ich glaube, es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß nach dem
Wortlaut des Gesetzes alle Reichsangehörigen herangezogen werden sollen
und, wenn keine Ausnahme konstruiert ist, auch die Steuerpflicht der regieren-
den Herren, der Landesfürsten und Landesfürstinnen mitbegründet ist. Aber
in den Motiven steht ausdrücklich ein Satz, der, obgleich wir die Motive
ja nicht zum Gesetz machen und auf sie eigentlich auch nicht die Berufung
erfolgen kann — doch Veranlassung geben wird, die Frage in der Kom-
mission näher zu präzisieren. Es steht auf Seite 20: „Befreit von dem
Wehrbeitrage sind alle Personen, die nach völkerrechtlichen Grundsätzen von
der Zahlung direkter Staatssteuern befreit sind.“ Nebenher bemerkt: völker-
rechtliche Grundsätze, die irgend jemand von der Steuerzahlung im eigenen
Lande befreien, kenne ich nicht; völkerrechtliche Grundsätze regeln das Ver-
hältnis der Völker zu einander, aber nicht das Verhältnis der Landesfürsten
zu ihren Untertanen oder zum Staate. Das mag also nur ein Versehen sein,
und man hat vielleicht von staatsrechtlichen Grundsätzen sprechen wollen. (Zu-
rufe links: ( Gesandte!) — Gesandte sind doch nicht die Landesfürsten, das sind
die Vertreter der Landesfürsten. Aber ich will nicht auf dem Wort herumreiten.
An sich überzengt mich das nicht, daß die Landesfürsten nach völkerrechtlichen
Grundsätzen steuerfrei sind. Dann heißt es weiter: „Die Landesfürsten und
Landesfürstinnen, die der direkten Besteuerung durch das Reich nicht unterliegen,
haben sich gleichwohl bereit erklärt, an dem vaterländischen Opfer des Wehrbei-
trags sich zu beteiligen.“ Es ist vorhin schon gesagt worden — und ich stimme
dem ohne weiteres zu — daß wir es freudig begrüßen, wenn unsere Landes-
fürsten sich bereit erklären, für dieses patriotische Opfer ihrerseits Beiträge
zu leisten; ob sie nun auf die Steuerfreiheit ein Recht haben oder nicht,
wird dabei gleichgültig sein. Ich frage aber bloß: wenn nach diesen Motiven
der Text des Gesetzes so ausgelegt würde, daß die Fürsten eigentlich nicht
beitragspflichtig zu diesem Wehrbeitrage sind, wie wollen Sie dann die
freiwilligen Gaben der Fürsten überhaupt etatisieren? Dann mühssen Sie
wahrscheinlich auch erklären: wir, der Reichstag und der Bundesrat, danken
dem betreffenden Fürsten für die freiwillige Spende, die er zum Wehr-
beitrag in der und der Höhe gezahlt hat. Das kann dann aber nicht in
den Etat hineingesetzt werden, es sei denn als patriotischer, freiwilliger
Beitrag. Nun frage ich Sie, meine Herren: ist das erwünscht, fordert das
nicht geradezu die Kritik heraus, wenn dann bekannt wird: der Fürst von
soundso oder der König oder der Großherzog hat soundsoviel freiwillig
an Beiträgen gezahlt, was wir dankend quittieren? Das möchte ich den
Fürsten und dem loyalen Bewußtsein unserer Bevölkerung ersparen, und