174 Das Beensche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 10.)
deswegen, meine ich, man sollte lieber unter das Gesetz, wie es in dem
Wortlaut eigentlich unbestreitbar der Fall ist, auch aufnehmen, daß ohne
Ausnahme alle Reichsangehörigen, auch die Landesfürsten und Landes-
fürstinnen, gesetzlich zur Zahlung herangezogen werden. Das ist meines
Erachtens im Interesse aller Beteiligten.
Ich komme dann weiter zu den dauernden Ausgaben. Die
Vorschläge der Regierung sind ja sehr einfach: 49 Millionen Stempel-
abgaben, die den Einzelstaaten weggenommen werden, 16 Millionen erhöhte
Zölle, 80 Millionen veredelte Matrikularbeiträge, 15 Millionen Erbrecht,
ferner die Beibehaltung der Zuckersteuer und der Besitzstempelzuschlag. Ich
meine, wenn wir 186 Millionen brauchen und diese 160 Millionen, die ich in
ihren Einzelerträgen eben ausgeführt habe, auf diese Weise aufbringen, und
wenn wir 45 bis 50 Millionen Zuckersteuer behalten und die Besitzstempelabgabe,
so erhalten wir freilich, wie die Motive sagen, mehr als genug. In bezug auf
die Zuckersteuer, meinte der Herr Staatssekretär, liegt eigentlich ein Ver-
sprechen nicht vor, und ebensowenig bei dem Besitzstempel, sondern es handelt
sich da um eine Vereinbarung. Anders liegen die Verhältnisse bei der Besitz-
wechselabgabe. Da muß ich auch sagen: so schnell wie möglich sollte man den
Zuschlag, den wir damals gemacht haben, wieder abschaffen. Diese Abgabe
hat tatsächlich im Volke recht wenig Sympathien gefunden, weil dabei gar
keine Rücksicht auf vorhandene Schulden und Lasten genommen wird und
die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers gar nicht berücksichtigt werden kann.
Deswegen wird sie als eine schwere Härte empfunden, und ich würde es
allerdings für die Aufgabe einer verständigen Finanzreform halten, sie am
liebsten ganz zu beseitigen. Was nun die Wertzuwachssteuer betrifft,
so haben wir seinerzeit, wenn auch mit schwerem Herzen, für diese Steuer
gestimmt, und zwar auch, wie der Herr Kollege Speck sagte, in der Meinung,
der Stempelzuschlag werde bald beseitigt werden. Wir konnten alle damals
die Verhältnisse nicht so gut übersehen und sind jetzt alle klüger als damals.
Wer heute hineinsieht in die Einschätzungen der Wertzuwachssteuer, kriegt
allerdings einen Schrecken über das, was wir geschaffen haben. Ebenso ist
es mit der Schecksteuer! Ich brauche wohl nicht auszuführen, daß die
mit ihren drei Millionen Einnahme für das Reich viel mehr der Ent-
wicklung des Geldverkehrs schadet, als sie der Reichskasse nützt. Darüber
sind sich auch die Finanzminister einig, die ja die scharfe Kritik an der
Schecksteuer selbst üben. Meine politischen Freunde — ob die Herren vom
Zentrum, weiß ich nicht — verstanden unter der allgemeinen Besitzsteuer —
und sie haben das auch deutlich genug ausgesprochen — Vermögens= oder
Erbschaftssteuer, Erbanfallsteuer will ich sie kurz nennen, d. h. die
vielfach von den Gegnern so genannte Witwen= und Waisensteuer, also die
Besteuerung der direkten Deszendenten und der erbenden Ehegatten. Auch
heute noch sind wir der Meinung, daß, wenn man den Bedürfnissen des
Reiches dauernd und in einer richtigen Weise genügen will, wir zu einer
direkten Steuer, durch das Reich zu erheben, kommen müssen. Daß man
den Einzelstaaten die Einführung der Steuern übertragen soll, halten wir
für einen Umweg, der jedenfalls nicht besser ist als der direkte Weg.
Abg. Graf Westarp (K.): Wenn ich mir den Gesamtplan vom steuer-
politischen Standpunkt aus betrachte, so besteht das charakteristische Moment
des Planes darin, daß die ganze ungeheuere neue Last ausschließlich oder
doch so gut wie ausschließlich auf den Besitz gelegt wird, auf den ver-
hältnismäßig geringen Teil von Staatsbürgern, die ein Vermögen ihr Eigen
nennen. Das einzige was man von einzelnen Seiten als eine Belastung
des Konsums anzusehen geneigt sein wird, wäre die Hinausschiebung der
Herabsetzung der Zuckersteuer. Bei der großen Schwierigkeit der Be-