Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

## Deusche Reich nnd seine einteluen Glieder. (April 10. 11.) 175 
urteilung der Frage, wie weit eine Abwälzung in diesem Falle stattfinden 
würde oder nicht, wie weit also die Ermäßigung der Zuckersteuer um 4 Mark 
dem Konsum zugute kommen würde, ist es aber sehr zweifelhaft, ob die 
Hinausschiebung der Ermäßigung überhaupt eine Belastung des Konsums 
bedeutet. Eins steht fest, daß die Hinausschiebung der Herabsetzung der 
Zuckersteuer eine große Belastung des landwirtschaftlichen Gewerbes ist. 
Was die subjektive Steuerpflicht betrifft, so begrüßen auch wir den Ent- 
schluß der Landesfürsten, sich an der Steuer zu beteiligen. Den Satz 
in den Motiven, daß das Reich nicht berechtigt sei, die Landesfürsten zu 
direkten Steuern heranzuziehen, halten wir staatsrechtlich für durchaus richtig. 
Die Landesfürsten unterliegen auch in den einzelnen Staaten nicht der 
direkten Besteuerung. Das Reich ist der Bund der Einzelstaaten, und es 
leitet seine Befugnisse nur von den Einzelstaaten ab. Es ist unmöglich, 
daß die Einzelstaaten dem Reich ein Mehr an Rechten haben übertragen 
können, als sie hatten, und schon aus diesem Grunde billigen wir den Satz 
in den Motiven. Wie im übrigen die Steuerpflicht der Fürsten rechtlich 
konstruiert wird, darüber ist im gegenwärtigen Augenblick wohl nicht klar 
zu sehen, und es wird in der Kommission Gelegenheit sein, zu erfahren, 
wie die Regierung sich die Sache denkt. Daß wir die Erbschaft nicht für 
einen steuerpflichtigen Vermögenszuwachs halten, wenigstens nicht die Erb- 
schaften, die von den Eltern auf die Kinder übergehen, darüber brauche 
ich nicht viel Worte zu verlieren. Wir sehen das Vermögen als ein Ver- 
mögen der Familie an. Wir sehen die Eltern als die Verwalter des Ver- 
mögens für ihre Kinder an, und deshalb können wir in dem Anfall der 
Erbschaft an die Kinder keinen Zuwachs erblicken, der Anlaß zu einer be- 
sonderen Besteuerung geben könnte. Die drei Vorzüge, die der Herr Schatz- 
sekretär gestern hervorhob, nämlich erstens, daß die Steuer nicht zum Zeit- 
punkte des Todes, sondern erst nach Ablauf der Veranlagungsperiode zur 
Erhebung kommt, ferner daß auch das Vermögen der Erben berücksichtigt 
wird, und endlich, daß auch die Schenkungen auf diese Weise getroffen 
werden, können uns in unserm ablehnenden Standpunkt gegenüber dem 
Gedanken doch nicht wankend machen. Was besonders die Schenkungen be- 
trifft, so haben wir allerdings immer hervorgehoben, daß es ein großer 
Fehler des Erdanfallsteuergedankens war, daß die Schenkungen, die beim 
mobilen Kapital so viel leichter vollzogen werden können als beim immobilen, 
nicht genügend Berücksichtigung fanden. Aber der Schluß aus diesem Vor- 
wurf war doch nicht der, daß man auch noch die Schenkungen erfassen soll. 
Wir haben allen solchen Einwendungen Rechnung getragen, die immer 
dagegen gemacht wurden, daß bei der Besteuerung der Schenkungen zwischen 
Eltern und Kindern in so überaus ungünstiger Weise in die innersten 
Familienverhältnisse eingegriffen würde. Also die Notwendigkeit, daß man, 
wenn man die Erbschaften treffen will, dann auch die Schenkungen besteuern 
muß, erkenne ich an; aber die Schlußfolgerung ist eine andere als die, die 
das Gesetz zieht. Das Erbrecht des Reiches — des Staates, muß man wohl 
sagen — kann unsere Billigung nicht finden. 
10. April. (München.) Zur Affäre Häusler-Wenninger. 
Die „Bayerische Staatszeitung" betont, daß der Abg. Häusler für 
seine übertriebenen Angriffe auf die Militärverwaltung nur bei der äußersten 
Linken Beifall gefunden habe und meint, das „ritterlich mannhafte Auf- 
treten" des bayerischen Militärbevollmächtigten habe auch in der Presse 
vielfach sympathische Aufnahme gefunden. 
11. April. (Reichstag.) JFortsetzung der Beratung der 
Deckungsvorlagen.
	        
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