Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 11.) 179 
Abg. Roland-Lücke (Nl.): Wir wollen den Weg einer allgemeinen 
Besitzsteuer begehen. Deshalb können wir nur bitten um eine Erbanfall- 
steuer beziehungsweise eine Reichsvermögenssteuer. Jeder hat 
natürlich seine eigenen Anschauungen über das, was richtig ist. Wir haben 
die Ueberzeugung, daß eine gerechte allgemeine Besitzsteuer für den Bedarf, 
der nun einmal da ist, unter allen Umständen geschaffen werden muß. Nach- 
dem die verbündeten Regierungen den vorliegenden Entwurf betreffend den 
Wehrbeitrag gebracht haben, sind sie sich wohl klar darüber, daß er das A 
des Alphabets ist, dem das B in der Vermögenssteuer folgen muß. Diese 
Tatsache wird ganz von selbst kommen. Wir nehmen auch die Reichsver- 
mögenssteuer, aber wir sind auch damit einverstanden, daß beides gemacht 
wird. (Lebhafte Zustimmung links.) Wenn wir nicht wollen, daß die 
Reichsvermögenssteuer zu drückend wird, dann können wir ja noch die Erb- 
anfallsteuer dazu nehmen. Ein Gutes wird die Reichsvermögenssteuer haben: 
Die Bundesstaaten werden verpflichtet und zwar mit Rücksicht darauf, daß 
ihnen durch eine Reichsvermögenssteuer nicht zuviel weggenommen wird, 
im Bundesrat für möglichste Sparsamkeit einzutreten. Wir wollen die 
finanzielle Selbständigkeit der Bundesstaaten aufrechterhalten, weil wir es 
zu schätzen wissen, daß es auch kleine Bundesstaaten gibt, in denen die 
Kräfte ausruhen können, die in den Großstädten aufgebraucht sind, und 
die der Ursprung sind für die Kräfte, die wir bei der aufreibenden Arbeit 
in den Großstädten brauchen. Was den Wehrbeitrag angeht, so würde die 
Heranziehung der von der Ausübung der Wehrpflicht befreiten Personen 
zu einer Wehrsteuer zu erwägen sein, wenn das Einkommen der Betreffen- 
den eine gewisse Grenze übersteigt. Beim Wehrbeitrag sind die kleinen 
Vermögen bis zu 30000) Mark zu konservieren, vom staatlichen, finanziellen 
und rechtlichen Standpunkt aus. Auch dabei muß das gesamte Einkommen 
berücksichtigt werden. Der Eindruck ist in der Welt viel besser, wenn wir 
auf die Beiträge schwacher Schultern verzichten. Gerade dem kleinen Rentner 
ist die Lebensmittelsteigerung sehr teuer zu stehen gekommen. Was die 
besondere Heranziehung der Aktien-- und Kommanditgesellschaften angeht, 
so kann es sich da nur um die offenen Reserven der Bilanzen handeln; 
die stillen Reserven können gar nicht getroffen werden. Sollte sich selbst 
eine Mehrheit dafür finden, so wäre damit also noch nicht viel gewonnen. 
Die Einzahlungstermine für den Wehrbeitrag sollten möglichst verteilt 
werden mit Rücksicht auf die gesamte Volkswirtschaft. Die Stempelabgaben 
sind viel zu hoch und gefährden die Wirtschaftlichkeit der kleinen Versiche- 
rungen, insbesondere der Steuerversicherungen. Das Erbrecht des Staates 
mitzumachen sind wir im Prinzip bereit. Der Staat umschließt alle Familien 
und hat auch ein Erbrecht. Das Vermögenszuwachssteuergesetz kann nie- 
mals als eine gerecht wirkende Besitzsteuer angesehen werden; es ist höchstens 
geeignet, auch die friedfertigsten Bürger rabiat zu machen, denn es können 
Fälle eintreten, daß jemand auf ein Papier Vermögenszuwachssteuer be- 
zahlen soll, obwohl er in Wirklichkeit vorher viel höhere Verluste gehabt 
hat! Nun bringen Sie es ihm mal bei, daß er wirklich einen Gewinn 
gehabt hat! Mit der höheren Besteuerung der ausländischen Aktien treiben 
wir die guten Papiere aus dem Lande. 
       11. April. (Reichstag.) Die Verminderung der Adjutanturen 
in der Budgetkommission. 
Bei Kapitel 21 „Adjutanturoffiziere“ werden u. a. gefordert: 65 
persönliche Adjutanten bei den deutschen Fürsten und Prinzen mit 
einem Aufwand von 346 404 Mark. Die Grundlagen für diese Stellen 
sind die Militärkonventionen. Ein Zentrumsmitglied untersucht im 
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