Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 12.) 183
werden, die notwendig sind, um die Arbeit für dieses Volk zu schaffen,
damit es sich ernähren kann. Wenn nun auf einmal von dieser notwendigen
Kapitalsbildung ein so großer Prozentsatz abgezogen wird, wie je 500 Mil-
lionen Wehrbeitrag in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, und wenn dazu
noch die Steigerung der laufenden Ausgaben, die auch wieder aus dem
Vermögen des Volkes gedeckt werden müssen, kommt, so ist das doch hoch
bedenklich. Man muß doch auch berücksichtigen, daß nun auf einmal wieder
rund 140000 Menschen der nutzbringenden, werteschaffenden Arbeit ent-
zogen werden. Und damit ist es noch nicht getan: auch die vielen Bauten,
die Beschaffung des Kriegsmaterials entziehen doch wieder soundso viel
mehr Menschen einer wirtschaftlich nutzbringenden Tätigkeit, so daß dazu
mindestens wieder ein Ausfall an Produktionswert in Höhe von über
300 Millionen Mark tritt, und so daß dem deutschen Volk in diesen Jahren
im ganzen jedesmal ungefähr 900 bis 1000 Millionen entzogen werden —
das ist nahezu ein Viertel oder ein Fünftel dessen, was bisher für die not-
wendige Kapitalsbildung erübrigt wurde. Das ist doch ein volkswirtschaft-
licher Eingriff von solcher Schwere, daß man sich sehr überlegen muß, ob
es nicht doch vorzuziehen ist, diesen Wehrbeitrag auf eine größere Zahl von
Jahren zu verteilen, selbst wenn dadurch der Anleihemarkt etwas gestört
werden sollte. Es ist ja auch nicht nötig, mit der ganzen Anleihe auf
einem Brett herauszukommen; einige Ueberschüsse haben wir noch; einiges
kann aus den laufenden Einnahmen genommen werden, und dann verteilen
sich ja die Bauten sowieso auf drei Jahre. Da halte ich es doch für volks-
wirtschaftlich unendlich viel richtiger, hier lieber vorsichtig das Volksvermögen
zu schonen und nicht einmal in zwei Raten diesen gewaltigen Eingriff zu
machen. Selbstverständlich müssen zu dieser Vermögenssteuer auch die Ein-
kommen herangezogen werden. Das tut ja auch beim Wehrbeitrag die
Vorlage. Dabei kann man aber unmöglich so vorgehen, noch die Minister-
gehälter von 50000 Mark frei zu lassen, man muß bis 10000 Mark herab-
gehen und kann als fingierte Vermögen dann das Zehn= oder Zwölffache
dieses Einkommens ansehen. Allerdings bei denjenigen Einkommen, die aus
einer festen Besoldung mit Pensionsaussicht vorhanden sind, also bei den
Gehältern der Staats-, Kommunal- und Reichsbeamten, würde man aller-
dings noch bis vielleicht auf 6000 oder 7000 Mark heruntergehen können.
In diesen Kreisen sind ja auch so viele patriotische Leute, daß sie sicher
sehr gerne bereit sein würden und es als eine nationale Tat ansehen würden,
wenn sie an der Aufbringung des Wehrbeitrages mitarbeiten könnten.
Dann würde allerdings diese Vermögenssteuer, da wir ja unter diesen Ober-
lehrern und Amtsrichtern usw. so viele Mitglieder des Wehrvereins haben,
die dem deutschen Volke immer vorhalten, daß es nicht opferwillig genng
sei, diese doch davon nicht abhalten, hier nun mit beizutragen, wenn auf
ihre Agitation hin doch jetzt dem deutschen Volke solche Lasten auferlegt werden.
Abg. Behrens (W. V.): Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob
unser Volk imstande sei, den geforderten Finanzbedarf zu decken. Der
Wohlstand und der Reichtum unseres Volks ist erheblich im Steigen be-
griffen. In der Begründung zum Wehrbeitragsgesetzentwurf finden wir,
daß das steuerbare Vermögen auf rund 190 Milliarden geschätzt wird, und
daß es sich in den letzten Jahren um mehr als 13 Prozent vermehrt hat.
Wir sehen auch, daß sich eine starke Vermehrung der Einlagen in den öffent-
lichen Sparkassen vollzieht. Die Einlagen belaufen sich auf 16 bis 18 Milli-
arden und sind ein Zeichen des Wohlstandes. Volkswirte haben das ge-
samte Volksvermögen auf 270 bis 350 Milliarden und den Jahres zuwachs
auf rund vier Milliarden geichätzt, so daß unser Volkswohlstand diese neue
Belastung ertragen kann, ohne Schaden zu leiden. Die Deckung der ein-