184 Das Deutsche Reich und seine einzelnrn Glieder. (April 12.)
maligen Ausgaben nach dem Vorschlag der Regierung ur einen 2
hat unsere volle Zustimmung Das Prinzip ist
richtig. Aber die praktische Gestaltung des Prinzips in der Vorlage scheint
uns nicht zweckmäßig zu sein. Ich habe fast den Verdacht, als wenn das Reichsamt und die Regierungen dem Reichstag recht viel möglichkeit überlassen wollten, und darum dieses außerortendlich einfache System
gewählt haben. Unsere Aufgabe wird es nun sein, dafür zu sorgen, daß hier
nicht durch eine gleiche Behandlung von völlig ungleichen Verhältmissen eine
soziale Ungerechtigkeit entsteht. So, wie die Vorlage beschaffen ist, würde
es ein soziales Unrecht gegen die Bauern und den Mittelstand, gegen die
ländlichen Arbeiter, gegen den ländlichen Grundbesitz und das Betriebs-
kapital sein. Wenn hier nicht eine Anpassung an die Leistungsfähigkeit
Platz greift, dann wird auch selbst diese Besitzwehrabgabe im letzten Schluß im
Lande sehr viel Aergernis und Verdrossenheit hervorrufen. Was die
Frage anlangt, ob die Fürsten ebenfalls den Wehrbeitrag zahlen sollen,
so sind meine Freunde selbstverständlich dafür. Wir sind erfreut, daß die
— Fürsten mit ihrem freien Anerbieten dem Volke ein gutes Bei-
spiel gaben. Um jedoch die Beitragepfiicht gesetzlich, festzulegen, bedarf es.
keiner besonderen Bestimmung im Gesetz, Fürsten dazu nicht
gesetzlich verpflichtet werden sollten, dann hätte man eine Ausnahmiebestimmung
in die Vorlage aufnehmen müssen. Ich berufe mich da auf den Vorgang.
bei der Erledigung des Zuwachssteuergesetzes. Damals wurde, um die
Steuerfreiheit der Fürsten herbeizuführen, ausdrücklich eine entsprechende
Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen beantragt. Dann ist die Frage
aufgeworfen worden, ob man die sogenannte tote Hand zum Wehrbeitrag
heranziehen solle. Nun versteht man unter der toten Hand ja sehr Ver-
chiedenes. Wir würden nicht zustimmen können, wenn die Missionen,
Krankenanstalten, Pflegeanstalten, Waisenhäuser, Siechenhäuser, wissenschaft-
ichen Institute usw. herangezogen werden sollten. Würden sie tatsächlich
direkt oder indirekt mit herangezogen, dann würden gerade die Allerärmsten
und Elendesten, die Waisen, Kranken, Alten und Siechen indirekt mitbesteuert
werden, und darum komnen. wir dem Vorschlage unter diesem Gesichtspunkte
nicht zustimmen. Anderseits ist sehr wohl beachtenswert, daß es eigentlich
zwecklos ist, kirchliche Körperschaften und solche Körperschaften, die selbst
Steuerrechte haben heranzuziehen, weil diese durch ihr Steuerrecht den
Beitrag abwälzen kônnen Was dann noch übrig bleiben würde, erscheint
uns nicht so wesentlich, als daß daraus eine große Aktion zu machen wäre.
Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg: Die Kritik, die an den
Vorschlägen geübt wunde war zum Teil recht scharf. Trotdem habe ich
den Eindruck, doß der Reichstag und die verbündeten Regierungen von der
Größe der Aufgaben erfüllt sind. Soweit Sie uns Verbesserungen vor-
schlagen, werden wir bereit sein, in eine Prüfung einzutreten. Auf alle
Vorschlagspläne will ich nicht näher eingehen. Man hat über die System-
losigkeit unserer Vorschläge geklagt und über die Mangelhaftigkeit der
Deckungsvorschläge. Eine Neuordnung unserer Finanzen müßte anders
aussehen darin gebe ich Ihrer Kritik vollkommen recht. Jetzt heißt es, die
Wehrvorlage zur Annahme zu bringen und sie zu bezahlen. Wir schlagen
Ihnen nicht vor, meine Herren, neue Schulden zu machen. Das würde
den Geldmarkt zu sehr angreifen, und es würde unsere Reichsfinanzen in
das gottlob verlassene Gebiet der Schuldenwirtschaft zurückführen. Wir
legen die gesamten einmaligen Kosten in Höhe von einer Milliarde Mark
auf den Besitz, und von den laufenden Ausgaben trägt der Besitz mehr
als die Hälfte. Der männermordende Streit, der seit dem Jahre 1909 um
die Erbschaftssteuer geführt wird, dreht sich um 60 Millionen Mark. Die