Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 12.) 185
Lex Bassermann-Erzberger will 30 bis 40 Millionen Mark Zuckersteuer durch
eine allgemeine Besitzsteuer ersetzen. Was wollen diese Zahlen sagen gegen
die Summe, die wir gegenwärtig dem Besitz auferlegen? Nun wird ja
im allgemeinen nicht geklagt, daß wir gegenüber dem Besitz schüchtern sind,
aber die Herren finden unsere Besitzsteuervorschläge nicht schön. Ueber die
Schönheit will ich nicht streiten, ich glaube aber doch, die Gelegenheit wäre
ungünstig gewesen, wenn wir uns jetzt vor den Augen des Auslandes um
„das Problem der Probleme“, die Besitzsteuer, die Köpfe zerschlügen. Dazu
ist die gegenwärtige Zeit nicht geeignet. Sie haben an der Reichsbesitzsteuer
wesentlich auszusetzen, daß wir uns neuerdings wieder als Kostgänger an
den Tisch der einzelnen Bundesstaaten setzen wollen, und daß wir damit
die Grundsätze der Bismarckschen Finanzpolitik verlassen. Bismarck wollte
das Reich finanziell selbständig machen. Prinzipien und Theorien waren
dem Fürsten Bismarck zuwider. Er wollte nur die Einzelstaaten nicht
aushungern. Nun hat man jetzt mit dem Gedanken der Reichseinkommen-
steuer oder Reichsvermögenssteuer geliebäugelt, die nicht bismarckisch und
geeignet sind, Verwirrung in die Finanzen der Einzelstaaten zu tragen.
Ich warne dringend, Wege zu betreten, die nicht zum Ziel führen können.
Für eine einheitliche Vermögenssteuer werden sich die Einzelstaaten be-
danken. Wer es gut mit dem Reiche meint, der sollte diesen Gedanken
fallen lassen. Wohin soll die Ausführung des Projektes einer Reichsver-
mögenssteuer am Ende führen? Haben Sie erst einmal eine Reichsver-
mögenssteuer, dann bauen Sie sie auch weiter aus. Wenn Sie erst ein-
mal von dieser Jugendliebe genossen haben, lassen Sie nicht wieder von
ihr. Nun ist das gesamte Steuersystem der Einzelstaaten aufgebaut auf
direkte Steuern. Führen wir eine Reichsvermögenssteuer ein, dann würden
nicht nur die einzelstaatlichen Steuern verkümmern, sondern auch die Kultur-
aufgaben selbst, die trotz unseres hohen Reichsbudgets andauernd in steigen-
dem Maße haben befriedigt werden können und befriedigt worden sind.
Damit würde das Leben der Einzelstaaten stagnieren, und das würde schließlich,
da wir ein Bundesstaat sind, das Reich an der Wurzel seiner Kraft treffen.
Meine Herren, überlegen Sie sich diese Gefahren sehr genau, und — ich
sage es Ihnen noch einmal: beschreiten Sie nicht einen Weg, der nicht zum
Ziele führen wird. Ich hoffe, wenn die Herren sich diese Gesichtspunkte
vorhalten, daß ihnen dann doch unser Besitzsteuervorschlag nicht als ganz
so künstlich und so schlecht erscheinen wird. Man stößt sich — das ent-
nehme ich aus der Presse und auch aus manchen Reden, die hier gehalten
worden sind — an unserem Vorschlag auch um deswillen, weil Sie wünschen,
eine gleichmäßige Besitzbelastung im ganzen Reich herbeizuführen. Bei der
Reichsvermögenssteuer würden Sie das nur erreichen, wenn Sie einen Strich
durch das ganze System der Steuern in den Einzelstaaten machten, und
dazu werden doch alle die Parteien, die mit uns die Grundlagen des bundes-
staatlichen Systems hochhalten, nicht die Hand bieten wollen. Und selbst
wenn wir — ich spreche jetzt zu den Herren der äußersten Linken und auch
zu den Herren von der Fortschrittspartei — das Sehnen Ihres Herzens
erfüllen wollten und eine Reichserbschaftssteuer machten, so würden wir
doch in keiner Weise zu einer gleichmäßigen Besinsteuer kommen, weder für
die Gesamtheit der Bundesstaaten noch innerhalb der einzelnen Bundes-
staaten in bezug auf die Kommunen. Also Sie würden sowohl, wenn Sie
eine Reichsvermögenssteuer einführen, wie bei der Reichserbschaftssteuer
immer bei dem jetzigen Ergebnis bleiben, daß die Belastung mit direkten
Besitzsteuern im Reich eine außerordentlich verschiedene ist. Ist es da nicht
viel besser und viel gerechter, wenn Sie die Regelung, wie wir Ihnen vor-
schlagen, den Einzelstaaten überlassen? Der Einzelstaat ist sehr viel mehr