Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 12.) 187
ihre Opfer für das Vaterland darzubringen. Es drängt mich, für diese
Kundgebungen der Vaterlandsliebe hier öffentlich meinen Dank zu sagen.
(Bravo !) Ich will schließlich noch einer Auslegung entgegentreten, die der
Herr Abg. Dr. Südekum — und, wie mir berichtet worden ist, ist ihm der
Herr Abg. Gothein darin beigetreten — einem Satze meiner Rede vom
Montag gegeben hat. Die Herren haben geglaubt, ich lebte in der Besorgnis,
daß Deutschland, und namentlich der deutsche Arbeiterstand, im Luxus und
Wohlleben degenerieren würde. Ich bitte wirklich sowohl Herrn Dr. Süde-
kum wie Herrn Gothein, die Güte zu haben, sich doch noch einmal mein
Stenogramm anzusehen. Ich habe in keiner Weise von Deutschland gesprochen,
als ich sagte, die Geschichte lehre uns, daß Völker, welche ihre Rüstung
vernachlässigten und dafür Luxus und Wohlleben an die erste Stelle stellten,
verkommen wären. Wie sollte ich denn dabei an Deutschland auch nur haben
denken können? In einem Moment, wo wir, die verbündeten Regierungen,
dem Deutschen Reichstag den Vorschlag machen, eine große Verstärkung
unserer Rüstung vorzunehmen, wo wir von Ihnen Mittel in dieser Höhe
erbitten, und wo ich in derselben Rede meiner festen Ueberzeugung und
meiner Zuversicht Ausdruck gegeben habe, daß Deutschland bereit sei, die
Opfer auf sich zu nehmen, da soll ich in dem Satze an Deutschland gedacht
haben? (Zuruf bei den Sozialdemokraten: An wen denn?) — Ja, meine
Herren, ich habe einen allgemeinen historischen Satz ausgesprochen, den Sie
mir auch gar nicht widerlegen können. Und wenn ich, was ich nicht getan
habe, Deutschland im Auge gehabt hätte, wenn ich vor Luxus und Wohl-
leben hätte warnen wollen, dann hätte ich mich wohl an andere Kreise ge-
wandt als an die deutschen Arbeiter. Diese Kenntnis der Verhältnisse wird
mir auch Herr Dr. Südekum, wie ich annehme, zutrauen. Allerdings bin
ich dabei der Ansicht, daß das Bild, das von Zeit zu Zeit — ich will nicht
speziell auf die letzte Rede des Herrn Dr. Südekum anspielen — die Herren
Sozialdemokraten von der Verelendung des deutschen Arbeiters geben, falsch
ist, daß es ein Zerrbild ist. Aber — darin, denke ich, werde ich die Zu-
stimmung des ganzen Hauses finden, auch die der Herren Sozialdemokraten —:
Verweichlichung und Aufgehen in rein materiellen Interessen würde keinem
Volk so sehr schaden wie uns Deutschen. Wir müssen hart bleiben und
müssen uns wehren können. Die beiden großen Güter, die wir durch unsere
Vorlage erreichen wollen, sind die Stärke des Vaterlandes und der Friede.
So hohe Güter gibt es in der Welt nicht umsonst, dafür müssen auch
Opfer gebracht werden. Das Echo, das unser Appell an die Opferwilligkeit
des deutschen Volkes gefunden hat, stärkt mich in der Zuversicht, der ich
schon eben Ausdruck gegeben habe, daß Deutschland nicht in der Gefahr
ist, in Wohlleben und Luxus unterzugehen, sondern daß es bereit ist, für
die hohen Güter seiner Stärke und des Friedens Opfer zu bringen. Ich
bitte Sie, bewilligen Sie uns die Mittel, die wir von Ihnen erbitten! Sie
werden gut angelegt sein.
Abg. Bruhn (Reform-P.): Gegen das Gesetz betreffend das Erb-
recht des Staates haben wir im Prinzip nichts einzuwenden; aber es
geht doch zweifellos zu weit. Ich bin der Meinung, daß die große Masse
im Volke gar nicht weiß, was in dem Gesetz steht. Wenn es so weit kommt,
daß mein eigener Bruder, für den Fall meines Todes, meinen Sohn nicht
beerben darf, so geht das entschieden zu weit. Wenn diese Bestimmung,
daß der Onkel den Neffen nicht beerben soll, im Gesetz stehen bleibt, dann
werden wir gegen das Gesetz stimmen. So weit dürfen wir doch nicht gehen.
Denken wir nur an die Verhältnisse auf dem Lande. Der älteste Sohn
bekommt die Wirtschaft, die anderen Geschwister sind mit einem Erbteil zu-
frieden, von dem sie wissen, es müßte eigentlich größer sein. Aber der