Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Denitsqe Reith und seine einzelnen Glieder. (April 23.) 215 
Herr Reichskanzler und der damalige Bundesrat — der wechselt ja nicht 
in seiner Zusammensetzung — haben damals übereinstimmend dem Antrage 
zugestimmt und keinerlei Bedenken nach der verfassungsrechtlichen Seite 
geäußert. Im Jahre 1905 wäre der Platz gewesen, solche Bedenken zu 
äußern, wenn man sie gegen einen solchen Antrag vorbringen wollte. Ich 
glaube, im Jahre 1913 kann man verfassungsmäßige Bedenken nicht mehr 
vorbringen, nachdem der Vorgang von 1905 einmal vorliegt. Man wird 
auch nicht mit dem Einwand kommen können: man hätte es eben schon 
damals tun sollen. Es ist eben im Jahre 1905 nicht geschehen, und damit 
stehen wir vollständig auf dem Boden, der hier im Reichstag einmütig von 
den Konservativen, der Reichspartei, dem Zentrum, den Nationalliberalen, 
der Volkspartei, den Sozialdemokraten, also von allen Parteien des Hauses 
ohne jeden Widerspruch und ohne jedes verfassungsmäßige Bedenken be- 
treten worden ist. Ich bedaure aber noch mehr, daß gegen diese Resolution 
der Kommission etatsrechtliche Gründe ins Feld geführt worden sind. Ich 
muß der Auffassung des Herrn Grafen Westarp, als hätte der Reichstag 
nicht das Recht, sich um die Verwendung der Mittel zu bekümmern, auch 
soweit Lieferungen vergeben werden, auf das allerentschiedenste widersprechen 
(Lebhafter Beifall im Z., bei den Nl., l. und bei den Sd.), weil das eine 
sehr wesentliche Einschränkung des Budgetrechts des Reichstags bedeutet. 
Das Bupdgetrecht des Reichstags und das Kontrollrecht des Reichstags 
— das haben wir in Art. 71 und 72 der Verfassung, nach denen wir Ent- 
lastung für die Verausgabung der Gelder erteilen müssen — schließt zweifel- 
los in sich, nicht nur zu prüfen, ob die Summen ausgegeben worden sind, 
ob mehr oder weniger ausgegeben worden ist, es schließt nicht nur das 
Recht in sich, zu prüfen, ob die Summe genau nach dem Dispositiv und 
nicht für andere Zwecke verwendet ist, sondern dieses Recht schließt auch in 
sich das weitere Recht, zu prüfen, ob die Gelder wirtschaftlich zweck- 
entsprechend ausgegeben worden sind. Dieses letztere Recht ist ein sehr 
wesentliches Recht des Reichstags. Wir würden zu der reinsten Registrier- 
maschine heruntersinken, wenn wir nur noch festlegen und nachrechnen dürften, 
ob die Summen genau so ausgegeben worden sind. Ich lege gerade auf die 
wirtschaftliche Seite unseres Etatsrechts, auf das Prüfungsrecht, ob die 
Gelder zweckentsprechend ausgegeben worden sind, den denkbar größten Wert. 
Es ist eine ganze Reihe von Fällen vorgekommen, wo die Gelder nicht so 
zweckentsprechend verwendet worden sind, wie wir es im Interesse der 
Sparsamkeit wünschen müssen. Ich erinnere allein an den einen Umstand, 
daß feststeht — ich spreche nicht von Behauptungen! —, daß wir für unsere 
Panzerplatten noch Preise von 2300 Mark pro Tonne bezahlen mußten, 
wo andere Länder für gleichgute Panzerplatten nur 1900 Mark zu bezahlen 
brauchten. Das ist angesichts der gewaltigen Mengen bestellter Tonnen pro 
Jahr doch ein genügender Anlaß für den Reichstag, der Frage nachzugehen, 
ob wir nicht auf eine weitere Verbilligung der Panzerplattenpreise hin- 
wirken können. Eine zweite feststehende Tatsache: der Vorgänger des jetzigen 
Kriegsministers, Herr v. Einem, hat am 27. März 1905 ausdrücklich hier 
zugegeben und durch amtliche Zahlen bewiesen, daß, solange eine bestimmte 
Firma allein das Monopol in der Lieferung von Kanonen und Geschossen 
hatte, von der Heeresverwaltung mindestens 60 bis 80 Prozent mehr bezahlt 
werden mußten als von dem Moment ab, wo eine andere Firma in die 
Konkurrenz eingetreten ist. Nun kommt aber ein Drittes. Man mag von 
den Behauptungen, die der Herr Abgeordnete Liebknecht aufgestellt hat, 
halten was man will, so steht doch eine Behauptung zweifellos fest, und 
das ist der Brief der Deutschen Waffen= und Munitionsfabrif. 
Das ist eine Tatsache: daß der Brief geschrieben worden ist, steht fest.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.