Das Denisqhe Reit ind seine einzelnen GSlieder. (Mai 3. —6.) 225
man nur mit Sorge beobachten kann. Die tüchtige Leistung als solche gilt
heutzutage leider häufig schon weniger als das Vermögen, das einer ererbt
oder errafft hat. Und auf welche Weise das Vermögen verdient worden ist,
danach wird oft schon kaum mehr gefragt. Diese Sucht nach dem Besitz
möglichst großer Geldmittel droht alte und ehrwürdige Begriffe zu ver-
schieben. Dinge, die früher nicht als „fair" oder besser gesagt, nicht als
anständig“ galten, werden stillschweigend geduldet; dem hitzigen Gelderwerb
wird alles geopfert. Die alten Ideale, ja selbst Ansehen und Ehre der
Nation können in Mitleidenschaft gezogen werden; denn zum ungestörten
Geldverdienen braucht man Frieden, Frieden um jeden Preis. Und doch
lehrt uns das Studium der Geschichte, daß noch immer alle diejenigen
Staaten, bei denen rein kaufmännische Interessen in Entscheidungsstunden
den Ausschlag gaben, elend zugrunde gegangen sind. Frisch und freudig
wieder anknüpfend an den schlichteren Sinn unserer Bäter wollen wir ge-
wiß keine Säulenheiligen heranziehen, die sich, auf alle Freuden der schönen
Erde verzichtend, von wildem Honig nähren und rauhe Kamelfelle zur
Gewandung wählen. Mögen wir den Komfort und Luxus, den wir als
Kinder unserer in der Technik so fortgeschrittenen, an praktischen Erfindungen
so reichen Zeit genießen, als angenehme Beigabe betrachten, die an sch
keine selbständige Berechtigung hat. Als ein Ueberflüssiges, das wir lachend
in die Ecke werfen, in dem Augenblick, wenn der Kaiser uns ruft und
wenn wir die Hände frei haben müssen für das Schwert.“"
3. Mai. (Stuttgart.) Galatafel zu Ehren des Prinzregenten
Ludwig von Bayern nebst Gemahlin im Weißen Saale des Refidenz-
schlofses.
3. Mai. Bildung einer Marineluftschiffabteilung und einer
Marinefliegerabteilung durch Kabinettsorder des Kaisers.
Aus dem Luftfahrpersonal sind zwei selbständige Abteilungen zu
bilden, und zwar: die Marineluftschiffabteilung mit dem vorläufigen Stand-
ort Johannisthal und die Marinefliegerabteilung mit dem Standort Putzig.
4. Mai. (Mannheim.) Anschlag auf den Großherzog von
Baden.
Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof zum Rennplatz sprang auf das
Trittbrett des Wagens des Großherzogspaares ein gewisser Jung, arbeits-
loser Tapezierer aus Ottersdorf, in Mannheim wohnhaft, wurde aber durch
den Großherzog zurückgestoßen und sofort verhaftet.
4. Mai. (GLamburg.) Stapellauf des Linienschiffs „Großer
Kurfürst“ auf der Vulkanwerft als „Ersatz Kurfürst Friedrich Wil-
helm“. Prinz Oskar von Preußen hielt die Taufrede.
5. Mai. Maßregel zum Schutz der Deutschen in Hoaiti.
Mit Rücksicht auf die Lage in Port-au-Prince hat S. M. Kreuzer
„Bremen“ Befehl erhalten, sich dorthin zu begeben.
6. Mai. (Frankfurt a. M.) Sängerwettstreit von 41 Ver-
einen vor dem Kaiser.
6. Mai. (Leipzig.) Aus dem Urteil, durch das die Berufung
im Prozeß Borchardt-Leinert vom Reichsgericht verworfen wird:
Der Hinweis auf die §§ 105,106 des Strafgesetzbuches ist verfehlt,
Europäischer Geschichtskalender. IIV. 15