Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Veeutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 11.) 241 
Empfindlichkeit kann daraus den Schluß ziehen, als ob ich beides auf eine 
Stufe gestellt hätte. (Fortgesetzter großer Lärm bei den Sd.) Derartige 
Momente ganz verschiedenartiger Natur, die einem Ziele zustreben, finden 
sich in unserm Gesetz sehr viele. Ich weise auf den § 33 des Mannschafts- 
versorgungsgesetzes von 1906 hin. Dieser Paragraph wird in Zukunft, 
wenn diese Vorlage angenommen wird, unter anderm die Bestimmung 
enthalten, daß das Recht auf Bezug der Versorgung erlischt durch rechts- 
kräftige Zuchthausstrafe wegen Hochverrates und außerdem durch die Be- 
förderung zum aktiven Offizier. Niemand ist darüber empfindlich gewesen, 
daß beides auf eine Stufe gestellt wird. (Heiterkeit.) Der Abg. Noske hat 
dann ein Loblied auf die Erfolge der Sozialdemokratie im Heere gesungen. 
Auch das ist unberechtigt. Ganz zweifellos ist die Armee niemals offensiv 
gegen die sozialdemokratischen Bestrebungen vorgegangen. Es hat sich von 
vornherein nur um Abwehrmaßregeln gehandelt. Sie haben aber versucht, 
auch die Armee mit ihrem fortwährenden Haß gegen die Armee zu durch- 
setzen. (Lachen und Widerspruch bei den Sd.) Die Armee ist allerdings 
das Haupthindernis gegen Ihre Bestrebungen. Die Armee ist sich ihrer 
hohen Aufgabe, dieses Haupthindernis auch in Zukunft zu bleiben, ganz 
und gar bewußt; sie wird an diesem Standpunkt auch in Zukunft fest- 
halten und die Truppen zur Treue für Kaiser und Reich erziehen. (Leb- 
hafter Beifall.) 
11. Juni. (Reichstag.) Fortsetzung der zweiten Lesung der 
Wehrvorlage. 
Abg. Erzberger (3.): Es ist auffallend, in welch großem Gegensatz 
die deutsche Sozialdemokratie zur französischen steht in der Beurteilung 
der Heeresvorlage. Die deutsche Sozialdemokratie hält sie für ungeheuerlich, 
die französische meint, sie sei so unbedeutend, daß sie die Einführung der 
dreijährigen Dienstzeit in Frankreich nicht rechtfertige. Der Abg. Noske 
führte die Abnahme der Heerestüchtigkeit darauf zurück, daß wir zu wenig 
Arbeiterschutz hätten. Betrachtet man allerdings die Statistik oberflächlich, 
dann ist die Zahl der unbedingt Tauglichen in den letzten zehn Jahren 
unbedingt zurückgegangen. Aber darauf eine Verminderung der Volks- 
gesundheit zurückzuführen, geht nicht an. Es ist nachgewiesen, daß die 
Morbilität im deutschen Heere von 136 auf 54 Prozent herunterging und 
die Sterblichkeit auf den Kopf von 0,6 auf 0,29. Das deutsche Heer ist 
also das gesundeste der ganzen Welt. Unsere ärztliche Wissenschaft hat in 
den letzten beiden Jahrzehnten so ungeheure Fortschritte gemacht, daß wir 
vorbeugend wirken können. Deshalb bezeichnet man jetzt sehr viele junge 
Leute mehr als minder tauglich als früher. Der Abg. Noske hat dann ferner 
behauptet, daß wir beim Ankauf für militärische Grundstücke uns zu sehr 
übers Ohr hauen lassen. In der Budgetkommission führte dagegen ein 
Sozialdemokrat aus, daß wir von den Städten zu hohe Opfer verlangen, 
so daß sich wenig Städte finden lassen, die solche Lasten tragen wollen. 
Sehr wenig freundlich hat er sich auch über unsere Luftschiffe und Luft- 
fahrzeuge ausgesprochen. Gewiß sind manche Luftschiffe zugrunde gegangen. 
Aber gerade die älteren Zeppeline befinden sich noch im Besitze der Heeres- 
verwaltung. Außerdem ist mir nicht bekannt, daß bei uns mehr Flugzeuge 
laput gehen als wo anders. Man darf aber auf keinen Fall gegen unsere 
Flieger derartige Angriffe richten. Im Gegenteil, wir müssen ihnen danken, 
daß sie ihr Leben aufs Spiel setzen. Die Ausführungen des Abg. Noske 
über die Abnahmekommission bei der Firma Krupp sind bisher noch nicht 
widerlegt worden, ja sie sind sogar von dem Generalleutnant Wandel be- 
stätigt. Auch ich unterschreibe hier, was der Abg. Noske gesagt hat, und 
Europaischer Geichichtskalender. I.IV. 16
	        
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