Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

242 Das Densche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 11.) 
verurteile auf das entschiedenste, daß den Feuerwerksoffizieren, die wir nach 
Essen schicken, eine Zulage von der Firma Krupp gewährt wird. Reicht 
das Kommandogeld nicht aus, so hat die Militärverwaltung die Aufgabe, 
es zu erhöhen. Da der Reichskanzler heute hier anwesend ist, möchte ich 
ihn ersuchen, uns mitzuteilen, wann die vom Reichstag einstimmig be- 
schlossene Untersuchungskommission für die Waffenlieferungen eingesetzt wird. 
Nun hat der Abg. Noske als Vertreter seiner Fraktion in den Vordergrund 
zwei Gesichtspunkte für die glatte Ablehnung der Militärvorlage gestellt: 
erstens sagt er, es ist keine momentane Kriegsgefahr vorhanden, und zweitens, 
es ist auch keine Kriegsgefahr in absehbarer Zeit vorauszusehen. Ich gebe 
ohne weiteres zu, daß eine momentane Kriegsgefahr nicht vorhanden ist. 
denn, wäre sie vorhanden, dann würde nicht der Abg. Noske oder der 
Reichstag, sondern der Generalstab das entscheidende Wort zu sprechen 
haben. Es wäre auch außerordentlich gefährlich, eine Militärvorlage im 
Reichstag erst dann einzubringen, wenn eine momentane Kriegsgefahr vor- 
handen wäre. Dann würden wir uns vor ganz Europa lächerlich machen. 
Der Abg. Noske meint auch, daß es gar nicht denkbar sei, daß kriegerische 
Verwicklungen das deutsche Volk benachteiligen könnten, und daß eine 
momentane Kriegsgefahr nicht zu befürchten sei. Damit setzt er sich in 
Widerspruch mit den Ausführungen seiner Fraktionskollegen, die fast alle 
betonen, daß Deutschland sich in einer stets drohenden Kriegsgefahr befinde. 
Jedenfalls sollten uns doch die chauvinistischen Treibereien in Frankreich, 
namentlich der Fall von Nanch, zu denken geben. Es wäre unverantwort- 
lich, wenn wir im Falle eines Krieges — ich möchte hier die Worte des 
Reichskanzlers gebrauchen — nicht so stark sein würden, wie wir tatsächlich 
nach unserer Bevölkerung stark sein können. Danach fällt die ganze De- 
duktion des Abg. Noske in sich zusammen. Ich stelle dem Königswort, das 
angeblich nicht eingelöst worden ist, ein anderes gegenüber. Am 25. Juni 
1888 hat der Kaiser erklärt, die Armee solle ein Friedensinstrument sein, 
aber so stark gemacht werden, daß sie uns den Frieden sichert, den uns 
aufgezwungenen Krieg aber siegreich beenden hilft. Diese kaiserliche Zusage 
von vor 25 Jahren ist vollkommen erfüllt worden. Mit dieser Zurückweisung 
der sozialdemokratischen Angriffe glaube ich im wesentlichen die Stellung, 
die meine politischen Freunde zu der Wehrvorlage einnehmen, begründet 
zu haben. Wir sehen das Heer an als ein Mittel, unserm Volke den Frieden, 
und zwar einen ehrenwerten Frieden, zu erhalten, mit der Voraussetzung, 
daß wir daran festhalten müssen, wie auch schon unser Fraktionsvorsitzender 
erklärt hat, daß keine Ausgabebewilligung ohne Deckung stattfinden darf. 
Wenn wir diesen Satz aussprechen, so sprechen wir damit einen Gedanken 
aus, der jedem Mann im deutschen Vaterlande selbstverständlich ist. Die 
Verabschiedung der Wehrvorlage ohne die Deckungsvorlage würde ein halbes. 
Werk, ein Stückwerk, eine Stümperei sein. Wir geben uns der Erwartung 
hin, daß der Bundesrat sich auf denselben Standpunkt stellt, daß auch er 
die Dringlichkeit der gleichzeitigen Verabschiedung anerkennt. Ich bin über- 
zeugt, daß alle bürgerlichen Parteien, die imstande sind, die große Wehr- 
vorlage zu schaffen, auch die Kraft besitzen, auch die Deckungsvorlage im 
wahren Sinne der Gerechtigkeit zu verabschieden. Unter dieser Voraussetzung 
sind meine Freunde bereit, sie so, wie sie aus der Kommission hervorgegangen 
ist, zu bewilligen. Wir halten die Grundsätze der Militärvorlage für zu- 
treffkend und richtig. Wir wollen unser Vaterland so stark machen, wie wir 
es können nach Maßgabe der vorhandenen Mittel und nach Maßgabe der 
Bevölkerungszunahme. Wenn man über die Notwendigkeit der Durchführung 
dieser Maßnahmen schon im März und Avpril d. J. sich einig gewesen ist, 
so glaube ich, daß jetzt jeder Zweifel verschwinden muß angesichts der Maß-
	        
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