Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

248 Das Veentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 11.) 
wollte, welche zu dieser Vorlage geführt haben, und deren Stichhaltigkeit 
von der Mehrheit der Kommission anerkannt worden ist. Ich nehme das 
Wort, nachdem von einigen Seiten der Zusammenhang zwischen Wehr- 
und Deckungsvorlage besprochen und eine Auskunft darüber erbeten 
worden ist, wie sich die Regierung zu dieser Frage stellt. Der Standpunkt 
der verbün deten Regierungen ergibt sich klar und deutlich aus der gesamten 
Lage der Dinge. Wie ist die Situation? Es ist ein unbedingtes Erfordernis, 
daß die Heeresverstärkung unverzüglich ins Werk gesetzt wird. Das ist das 
oberste Gesetz, nach dem ich meine Haltung regeln muß, bis in alle Kon- 
sequen zen hinein, und regeln werde. (Bravol r. und l.) Daneben steht die 
Forderung, daß die Finanzen weder des Reiches noch der Bundesstaaten 
erschüttert werden. Auch ist das ein zwingender Bestandteil der Bereit- 
schaft der Nation. Die verbündeten Regierungen sind dieser Forderung 
vollauf nachgekommen. Wir haben Ihnen volle Deckung vorgeschlagen. Daß 
ebenso wie in der Kommission so auch in diesem hohen Hause eine aus- 
gesprochene Mehrheit für die Wehrvorlage vorhanden ist, daran zweifle 
ich nicht, und daß sie deshalb angenommen werden wird, darauf vertraue 
ich zuversichtlich. Das gleiche gilt bezüglich der außergewöhnlichen Maß- 
regel, die wir Ihnen zur Deckung der außergewöhnlich hohen einmaligen 
Kosten vorgeschlagen haben, bezüglich des Wehrbeitrages. Auf die Einzel- 
heiten, wie sich dieser Wehrbeitrag bisher in der Kommission gestaltet hat, 
gehe ich jetzt nicht ein. Wir stehen noch vor der zweiten Kommissionslesung. 
Einigung ist bisher nicht gefunden, noch nicht in allen Punkten gefunden, 
über die Deckung der laufenden Kosten. Was folgt aus dieser 
Situation? Sie, die Sie die Wehrvorlage bewilligen wollen, wollen sie 
nicht auf dem Papier bewilligen, Sie wollen sie bezahlen. (Lebhafte Zu- 
stimmung r. und im Z.) Deshalb ist es unsere Pflicht, eine Emigung zu 
suchen über die Fragen der Deckung der laufenden Kosten, soweit Einigung 
noch nicht erzielt worden ist. Den Weg zu dieser Einigung haben wir 
Ihnen in unseren Vorlagen gewiesen. Ich bin fest überzeugt, die Einigung 
wird gefunden werden, weil sie gesunden werden muß. (Sehr richtig! r.) 
Ein Volk, das in der Mehrheit seiner parlamentarischen Vertretung zu der 
Gewißheit gekommen ist, daß seine Wehrmacht gestärkt werden muß, weil 
es die Sicherheit und der Schutz des Vaterlandes verlangt, hat ein Recht 
darauf, daß ihm dieser Schutz auch wirklich gewährt werde. Auf dem Wege, 
den wir eingeschlagen haben, gibt es kein Zurück! Wir können nicht das 
Volk um den Schutz betrügen, von dem wir überzeugt sind, daß er ihm 
nottut. Das wäre eine Versündigung am Vaterlande. Deswegen werde 
ich mich mit allen Mitteln dafür einsetzen, daß die Wehrvorlage zu dem 
Zeitpunkt ins Werk gesetzt wird, den die Vorlage vorsieht, und werde mit 
dem gleichen Nachdruck mit Ihnen arbeiten und, wenn es nottut, auch 
kämpfen, daß die Mittel bereitgestellt werden, die dazu gehören. Wenn ich 
dazu nicht fest. entschlossen wäre, hätte ich die Vorlage überhaupt nicht ein- 
gebracht. Und Sie, meine Herren, die in der Kommission für die Wehrvorlage 
gestimmt haben, müssen derselben Ansicht sein. Deshalb lassen Sie uns 
jetzt handeln und ein Werk zum Abschluß bringen, für dessen Scheitern kein 
Mensch die Verantwortung tragen könnte. (Lebhafter Beifall. — Große 
Bewegung bei den Sd.) 
Abg. v. Liebert (Rp.): Wenn ich eine Parallele ziehe zwischen der 
Tätigkeit der deutschen Budgetkommission und dem Ausschuß des französischen 
Parlaments, so liegt, glaube ich, der Vorteil auf der Seite in Frankreich. 
Dort hat die Kommission sofort uneingeschränkt dem Kriegsminister die 
Ausgaben bewilligt, die er braucht, um am 1. Oktober einen vollen Jahr- 
gang bei der Armee zurückbehalten zu können, von annähernd 300 Millionen.
	        
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