252 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 12. 13.)
12. Juni. (Preußen.) Eröffnung des Landtages.
Der Ministerpräsident verlas folgende Thronrede: Erlauchte,
edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Seine Majestät
der Kaiser und König haben mich zu beauftragen geruht, den nach Auf-
lösung des Hauses der Abgeordneten gemäß Artikel 51 der Verfassung ver-
sammelten Landtag zu eröffnen. Indem ich Sie im Auftrage Seiner
Majestät hiernach willkommen heiße, gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß
es uns beschieden sein möge, auch in der neuen Legislaturperiode in gemein-
samer fruchtbringender Arbeit dem Vaterlande zu dienen. Ihr Eintritt in
einen neuen Abschnitt parlamentarischer Tätigkeit vollzieht sich in einer
Zeit, die großen Erinnerungen geweiht ist. Mögen die idealen Kräfte,
die vor einem Jahrhundert in Preußen lebendig waren, und die es in
fester Gemeinschaft von König und Volk aus tiefer Zerrüttung zu ruhm-
vollem Aufschwung führten, auch unsere Zeit durchdringen und in uns allen
wirksam werden zur Erfüllung der Pflichten der Gegenwart und der Auf-
gaben, welche die Zukunft bringt. Wie wir mit Stolz und Freude jener
Schicksalswende unseres Volkes gedenken, so rüsten wir uns mit dank-
erfülltem Herzen zur Feier des Tages, der unserm Allergnädigsten Kaiser
und König die Vollendung einer fünfundzwanzigjährigen Regierungszeit
bringen wird. Als Seine Majestät vor fünfundzwanzig Jahren zum ersten
Male den Landtag der Monarchie begrüßte, sprach er die Zuversicht aus,
„daß es uns auch in Zukunft gelingen werde, in gemeinschaftlicher, von
gegenseitigem Vertrauen getragener und durch die Verschiedenheit prin-
zipieller Grundanschauungen nicht gestörter Arbeit die Wohlfahrt des Landes
zu fördern“. Diese Hoffnung hat sich in reichem Maße erfüllt. Unter
dem Schutze des von Seiner Majestät mit starker Hand gewahrten Friedens
sind während dieser fünfundzwanzig Jahre im Reiche und in Preußen die
wirtschaftlichen und die geistigen Güter der Nation durch die weitblickende
Vorsorge des Kaisers und Königs und die rastlose Arbeit des gesamten
Volkes gemehrt und gefördert worden. Mit dem Danke dafür, daß Seiner
Majestät Lebensweg bisher so reich gesegnet wurde, verbindet sich die Bitte,
daß Gottes Gnade Ihm noch lange vergönnen möge, einem treuen und
vertrauenden Volke voranzuschreiten auf den Bahnen aufsteigender staat-
licher Entwicklung. Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs
erkläre ich den Landtag der Monarchie für eröffnet.
13. Juni. (Reichstag.) In erster Lesung wird der Gesetz-
entwurf zur Einführung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz
im Königreich Bayern ohne Debatte erledigt und in zweiter Lesung
gleichfalls ohne Diskussion unverändert angenommen.
13. Juni. (Reichstag.) Fortsetzung der zweiten Beratung
des Gesetzentwurfs zur Ergänzung des Gesetzes über die Friedens-
präsenzstärke des deutschen Heeres. Abstimmungen über Abände-
rungsanträge und Resolutionen.
Der Antrag Rogalla v. Bieberstein (K.) auf Vermehrung der
Kavallerie um 8 Regimenter wird in namentlicher Abstimmung mit 302
gegen 57 Stimmen bei 5 Enthaltungen abgelehnt. Ebenso der Antrag
Bassermann auf Wiederherstellung der Regimentsvorlage einer Vermehrung
der Kavallerie um 6 Regimenter statt der von der Kommission eingestellten 3)
mit 203 gegen 158 Stimmen bei 6 Enthaltungen und einer ungültigen Stimme.
Der von der Kommission eingefügte § 3a: „Die Mannschaften