Vorwort.
Durch persönliche Verhinderungen, die zum Teil mit dem
Kriegsausbruch im August 1914 zusammenhängen, ist die
Herausgabe dieses Bandes erheblich verzögert worden. Dafür
haben die gegenwärtigen Weltereignisse bei der Schlußredaktion
eine historische Distanz geschaffen, die für die Festhaltung des
ersten Niederschlags der zeitgenössischen Geschichtsschreibung nur
vorteilhaft sein kann. In der Reichhaltigkeit des Inhalts tritt
daher die Bedeutung des letzten Jahres einer langen Friedens-
periode für unser Vaterland und die Hauptländer Europas ge-
bührend hervor. Es ist aber dafür Sorge getragen, daß von
jetzt an der „Europäische Geschichtskalender“ wieder mit gewohnter
Pünktlichkeit erscheinen wird.
Indem ich hiermit zum fünften und letzten Male einen
Band des Annalenwerks vorlege, das von dem Verlage seit
54 Jahren mit unermüdlicher, entsagungsvoller Hingabe und
von dem ersten Herausgeber Schulthess und seinen Nachfolgern
mit dem Bewußtsein der Schwierigkeit gleichzeitiger Geschichts-
schreibung dem deutschen Volke dargeboten wird, darf ich wohl
den Wunsch aussprechen, daß diese für die Zukunft unentbehr-
liche Vorarbeit geistiger Erfassung der historischen Durchlebungen
Europas mehr als bisher beachtet und genutzt wird. Vielleicht
tragen die neuesten gewaltigen Erschütterungen des europäischen
Gemeingefühls und Kulturzustandes dazu bei, die Unerläßlichkeit
umfassender und wohlüberlegter Rückblicke auf die letzte Ver-
gangenheit allen Gebildeten ins Bewußtsein zu rufen und den
Übelstand zu beseitigen, der zum Ausspruch geführt hat: „Nichts
ist unbekannter, als die Geschichte von ehegestern.“
Berlin, den 8. Februar 1915.
Ludwig Rieß.