Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

322 Jos Veuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 2.—4.) 
Und zwar für die juristischen Senatoren von 25000 auf 30000 Mark, 
die kaufmännischen Senatoren, die ihr Geschäft nebenbei betreiben dürfen, 
von 12000 auf 15000 Mark; die Repräsentationszulage des ersten Bürger- 
meisters soll von 5000 auf 10000, des zweiten Bürgermeisters von 3000 
auf 5000 Mark erhöht werden. 
2. Oktober. (Gleiwitz.) Die Urteilsbegründung im Knittel- 
Prozeß. 
Für die Verurteilung des Amtsrichters Knittel zu 2400 Mark Geld- 
strafe wegen Beleidigung in vier Fällen gab der Vorsitzende, Landesgerichts. 
direktor Richter, folgende Begründung: Der Angeklagte hat in der Eingabe 
an den Kriegsminister gegen eine Reihe hoher Offiziere die schwersten Be- 
schuldigungen erhoben. Insbesondere hat er von dem Hauptmann Kammler 
behauptet, daß er ein böswilliger und heimtückischer Geisteskranker sei. Der 
Angeklagte hat sich endlich am Schluß der Verhandlungen in einzelnen 
Punkten dazu verstehen müssen, daß er erklärt hat, er habe sich geirrt. In 
anderen Punkten aber hat er seine Behauptungen aufrechtgehalten. Der 
Beweis der Wahrheit ist auch nicht in einem einzigen Falle für geführt 
erachtet worden. 
Das Gericht mußte nun prüfen, ob der Angeklagte die Vorwürfe 
wider besseres Wissen oder im guten Glauben an ihre Richtigkeit erhoben 
hat. Wollte man den Angeklagten als das ansehen, als was ihn der Ver- 
teidiger hinstellt, nämlich als erfahrenen, korrekten Richter und als klaren 
Kopf, der seinen ehrlichen Kampf um das Recht mit etwas scharfen Mitteln 
verficht, dann möchte man bei ihm den § 187 (Verleumdung) anwenden. 
Aber ein vernünftiger Mensch kann auf solche Gedanken, wie sie vom An- 
geklagten zu Dutzenden erhoben worden sind, überhaupt nicht kommen. 
Das Gericht steht auf dem Standpunkt, daß man den Angeklagten als einen 
vernünftigen Menschen nicht bezeichnen kann. Er hat geglaubt, es sei ihm 
mit der Ueberführung von der Reserve zur Landwehr Unrecht geschehen, 
und er hat sich schließlich in seinen lächerlichen Ideengang so verrannt, daß 
er als klarer und kühler Kopf nicht mehr angesehen werden kann. Sein Zu- 
stand stellt eine gewisse Neigung zum Ouerulantentum dar. Das Gericht hat 
schließlich doch noch von einer Gefängnisstrafe abgesehen, weil der Gemüts- 
zustand des Angeklagten zur Zeit der Abfassung der Eingabe von ganz be- 
sonderer Art gewesen ist. 
3. Oktober. (Stuttgart.) Englischer Konkurrenzneid gegen 
Deutschland. 
Hinsichtlich des Ursprungs der gegenwärtig herrschenden deutsch- 
feindlichen Stimmung in französischen Handels- und Industriekreisen wurde 
die Handelskammer mit besonderem Nachdruck auf die Tatsache hingewiesen, 
daß der nationalistische Pressefeldzug gegen die deutsche Industrie nicht zum 
geringsten Teil auf Machinationen der englischen Konkurrenz, die den deutschen 
Fabrikaten weder in Qualität noch Preisen habe nachkommen können, zurück- 
zuführen sei. Es ist bereits so weit gekommen, daß regelrechte Proskriptions-= 
listen deutscher Firmen aufgestellt worden seien. Der Deutsche Handelstag 
hat dem Reichskanzler Mitteilung von diesem Hinweis mit dem Ersuchen 
gemacht, geeignete Schritte in dieser für den deutschen Handel äußerst wich- 
tigen Frage zu tun. 
4. Oktober. (Wiesbaden.) Beschluß der nationalliberalen 
Partei zur Welfenfrage.
	        
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