326 Das Dentsqhe Reiqh und seine einjelnen Glieder. (Oltober 16.)
bayerischen Kontingents den Reichsbeamten gleich. Für die bayerischen
Kontingente bestimmte sich die Haftung seither nach bayerischem Recht, das
aber in der Rechtslehre wie in der Rechtsprechung durchaus nicht zweifels-
frei war. Der unbefriedigende Rechtszustand ließ es angezeigt erscheinen,
die Haftung des Staates für die Angehörigen des bayerischen Heeres grund-
sätzlich zu regeln. Dies geschieht nun durch einen an den Landtag ge-
langten Gesetzentwurf. Die Vorlage regelt die Frage in der Weise, daß
die Vorschriften der Artikel 60, 61 des Ausführungsgesetzes zum BGB. auf
Personen des Soldatenstandes ausgedehnt werden. Damit wird erreicht,
daß für die sämtlichen Angehörigen des bayerischen Heeres Rechtsgleichheit
geschaffen wird. Man hat diese Lösung einer Uebernahme der Bestimmungen
des Reichsgesetzes vom 22. Mai 1910 vorgezogen. Uebrigens weichen die
Vorschriften der Artikel 60, 61 von denen des genannten Reichsgesetzes nur
darin ab, daß, wenn die Verantwortlichkeit des Beamten ausgeschlossen ist,
weil er den Schaden im Zustande der Bewußtlosigkeit oder in einem die
freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der
Geistestätigkeit verursacht hat, der bayerische Staat schlechthin, das Reich
aber nur insoweit haftet, als die Billigkeit eine Schadloshaltung erfordert.
15. Oktober. (Berlin.) Deutscher Protestantentag.
Entschließungen: 1. Wir erblicken unsere Hauptaufgabe in der Pflege
deutsch-protestantischer Frömmigkeit und gedenken heute besonders des Erbes,
das uns Schleiermacher und Fichte, Stein und Arndt, Lessing und Herder
hinterlassen haben. Wir verlangen im einigen Deutschen Reich gleichmäßige
Aufhebung des Apostolikumszwanges, Gleichberechtigung der verschiedenen
theologischen Richtungen, volle Freiheit der wissenschaftlichen Forschung für
die theologischen Lehrer und Schüler, wissen aber zugleich, daß die Kraft
des deutschen Protestantismus nicht in theologischen Formeln, sondern in
der Mitarbeit unabhängiger Männer und Frauen an den ideellen und
sozialen Aufgaben unseres Volkslebens besteht. Wir bekämpfen den Ultra-
montanismus in jeglicher Form. Wir haben ein offenes Auge für die
Frage der Lösung der Kirche vom Staat und bekämpfen jeden öffentlichen
und geheimen Gewissenszwang in Schule und Heer, Wissenschaft und Kirche.
Wir glauben, daß der Geist Jesu stark genug ist, um seine unerschöpften
Kräfte neu in den Dienst der Gegenwart zu stellen, der Seele zum Frieden
und dem Volke zum Heil.
2. Wir verwahren uns gegen den Versuch eines westfälischen Kon-
sistoriums, einem Pfarrer der hessischen Landeskirche, der einstimmig von
der evangelischen Gemeinde Dortmund gewählt worden ist, das Recht zum
Kollegium von vornherein streitig zu machen. Wir würden in einer solchen
Maßregel, die der Geschichte und dem Sinne des Gesetzes widerspricht, eine
schwere Schädigung des gegenseitigen Vertrauens erblicken, wie es zur Er-
haltung protestantischer Interessen in Deutschland unentbehrlich ist.
3. Wir verwahren uns gegen die Versuche, wie sie von der preußischen
Orthodoxie in politischen und kirchenpolitischen Blättern wiederholt gemacht
worden sind, andere Landeskirchen in ihrem evangelischen Charakter zu
verdächtigen, weil sie dem apostolischen Glaubensbekenntnis nicht die be-
herrschende Stellung in ihren gottesdienstlichen Handlungen einräumen, wie
das Preußen seit dem Jahre 1895 getan hat. Wir erinnern heute daran,
daß im Jahre 1813 in Preußen die Verpflichtung auf die symbolischen
Bücher der Kirche aufgehoben wurde.
15. Oktober. (Bayern.) Ergebnisse der Eisenbahnverwal-
tung 1912.