Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

332 Bas Vetsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 18.) 
der Väter aufs neue das heilige Gelöbnis ab: Treu und fest zu sein in 
der Liebe zum angestammten Fürstenhause, zum Kaiser und zum Reich. 
Dazu verhelfe uns der Gott, der mit unseren Vätern war! Amenl!“ 
Auf diese Weiherede, die mit brausenden Beifallrufen aufgenommen 
wurde, antwortete König Friedrich August von Sachsen mit folgenden 
Worten: „Die von hoher patriotischer Begeisterung getragenen Worte, die 
Sie, Herr Thieme, in Vertretung des Deutschen Patriotenbundes soeben 
an Mich gerichtet haben, haben uns Deutsche tief bewegt. Sie unterstützen 
den gewaltigen Eindruck des mächtigen Denkmals, das durch die freie Opfer- 
bereitschaft deutscher Männer hier errichtet worden ist als ein Zeichen 
deutscher Kraft und Einigkeit. Wie dieses Denkmal uns erinnert an blutige 
Kämpfe und an den Heldentod vieler braver Soldaten, die vor hundert 
Jahren auf diesem Schlachtfelde fielen, wie es uns weiter mahnt an Gottes 
gnädige und wunderbare Führung, der unserm Volk nach langem Ringen 
und Sehnen eine herrliche Einheit schuf, so möge es nach weiteren hundert, 
ja tausend Jahren noch späteren Geschlechtern von dem heutigen Tage Kunde 
geben, möge es ihnen erzählen, wie in dieser Stunde Deutsche und Russen, 
Oesterreicher, Ungarn und Schweden ihre Knie in Verehrung beugen vor 
Gott, dem allmächtigen Lenker der Weltgeschichte, und zu ihm beten, daß 
er uns den Frieden erhalte zum Wohle unseres deutschen Volkes, zum Wohle 
auch der Staaten und Fürsten, die Mir die große Freude bereitet haben, 
Meiner Einladung zu folgen und die bei diesem Feste durch Mitglieder 
ihres Hauses und durch Abordnungen ihrer tapferen Heere vertreten sind. 
In diesem Sinne beglückwünsche ich den Deutschen Patriotenbund zu dem wohl- 
gelungenen Werke und nehme das Denkmal unter Meinen Königlichen Schutz.“ 
Nach der Besichtigung des Inneren des Völkerschlachtdenkmals be- 
gab sich Erzherzog Franz Ferdinand mit großem Gefolge und mit den 
übrigen deutschen Bundesfürsten zur Weihe des Fürst-Karl-Schwarzenberg-= 
Denkmals in den Meusdorfer Park, unweit des Völkerschlachtdenkmals. 
Es besteht aus einem einfachen Granitblock in Würfelform auf einem 
Sandsteinsockel ruhend und enthält folgende Inschrift: „Dem Fürsten Karl 
von Schwarzenberg, dem Führer der am 18. Oktober 1813 auf den Ebenen 
von Leipzig für Europa kämpfenden Scharen, setzten diesen Denkstein seine 
Gattin Marianne und seine Söhne Friedrich, Karl, Edmund.“ 
18. Oktober. Zur Vorgeschichte des Briefes des Kronprinzen 
an den Reichskanzler schreibt die „Tägliche Rundschau": 
„Als der Kronprinz vor einigen Wochen gelegentlich der Reise von 
Danzig nach seinem Jagdschloß Hopfreben in Vorarlberg zwei Tage in 
Berlin weilte, ließ er den Staatssekretär v. Jagow durch seinen Adjutanten 
zu einer Unterredung bitten. Der Staatssekretär konnte aber der Aufforde- 
rung des Thronerben nicht Folge leisten, da er durch dringende Berufs- 
geschäfte abgehalten war. Erst infolge einer zweiten, dringlicheren Einladung 
erschien Herr v. Jagow im Kronprinzenpalais und hatte eine mehrstündige 
Unterredung mit dem Thronfolger. Wie wir hören, wünschte der Kron- 
prinz über die Absichten der Reichsleitung in bezug auf die braunschwei- 
gische Frage unterrichtet zu werden. Die Unterredung mit Herrn v. Jagow 
schien dem Kronprinzen nicht zu genügen, da sich der Leiter des Aus- 
wärtigen Amts in dieser heiklen Frage, die übrigens auf das Gebiet der 
inneren Politik gehört, mit begreiflicher Vorsicht äußerte. Bald nach seiner 
Ankunft in Hopfreben richtete der Kronprinz das Schreiben an den Kanzler, 
das in der Hauptsache darauf hinausläuft, daß man sich mit den dem 
Kronprinzen bezeichneten Bürgschaften des Hauses Cumberland nicht be- 
qnügen, sondern die Thronbesteigung des Prinzen Ernst August nur nach
	        
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