Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 18. 19.) 333
einem ausdrücklichen Verzicht auf Hannover genehmigen solle. Der Kron-
prinz steht in der ganzen braunschweigischen Frage auf dem Standpunkt,
daß sie nicht eine dynastische ist, die zwischen den Häusern Hohenzollern
und Welf schwebt, sondern eine staatsrechtliche, die ihre Lösung daher nur
durch einen staatsrechtlich einwandfreien Verzicht finden könne. Es wird
auch bestimmt behauptet, daß der Kronprinz die Erledigung der Welfen-
frage der Hochzeit der Prinzessin mit dem Prinzen Ernst August voran-
gehen sehen wollte und für diese Ansicht entschieden eingetreten ist. An
unterrichteten Stellen legt man dem Schritt des Kronprinzen Bedentung
bei. Er kann nicht anders als eine neue Absage an die Politik des Reichs-
kanzlers aufgefaßt werden. Daß der Kronprinz verstimmt ist, geht wohl
schon daraus hervor, daß er während der Leipziger Feierlichkeiten in Hopf-
reben bleibt und diese großen Gedenktage in seinem kleinen Jagdschlößchen
verbringen will.“ (Siehe 16. und 17. Oktober.)
18. Oktober. (Berlin.) Jubelfeier auf dem Kreuzberg zur
Erinnerung an die Schlacht bei Leipzig.
18. Oktober. (Posen.) Das Gut Mieschik im Kreise Samter,
1050 Morgen groß, wurde von der Ansiedlungskommission aus
polnischer Hand für 331000 Mark angekauft, ebenso das Vorwerk
Zieliniec bei Schwersenz, 450 Morgen groß, für 230000 Mark.
19. Oktober. Die deutschen Mahnungen in Belgrad.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt, nachdem sie den
Fortschritt in den Verhandlungen zwischen der Türkei und Griechenland
festgestellt und die Lage als günstig qualifiziert hat, über den neuen alba-
nesischen Konflikt: „Ernster ist die Lage, die durch das Vorgehen Serbiens
in Albanien geschaffen worden ist. Die Serben haben sich nicht mit der
berechtigten Zurückweisung albanesischer Uebergrisfe begnügt, sondern haben
in den letzten Wochen wesentliche Teile Albaniens besetzt und in einigen
Plätzen bereits serbische Verwaltung eingerichtet. Die Begründung eines
selbständigen Staates Albanien beruht auf einem europäischen Beschluß,
der erst nach langwierigen Verhandlungen zustande gekommen ist. Sämt-
liche Mächte sind daran interessiert, daß das von ihnen geschaffene Werk
erhalten bleibt. Ein besonderes Interesse daran haben aus oft erörterten
Gründen Oesterreich-Ungarn und Italien. Es ist daher selbstverständlich,
daß Deutschland für die volle Aufrechterhaltung des Londoner Beschlusses
eintritt. Die deutsche Regierung hat in den letzten Tagen in Belgrad ebenso
wohlgemeinte wie nachdrückliche Vorstellungen erhoben, um die serbische
Regierung zu schleuniger Zurückziehung ihrer Truppen und voller Respek-
tierung der Londoner Abmachungen zu veranlassen. Die serbische Regierung,
die wiederholt Beweise politischer Klugheit und richtiger Wertung der Ver-
hältnisse gegeben hat, hat es in der Hand, durch unverzügliches Einlenken
die Situation zu klären. Hierzu ist Serbien um so eher in der Lage, als
die Mächte den Verhältnissen in Albanien alle Aufmerksamkeit zuwenden.
Die internationale Kontrollkommission hat ihre Arbeiten bereits begonnen,
und mit einer baldigen Wirksamkeit der internationalen Gendarmerie ist
bestimmt zu rechnen. Daß Serbien nach dem reichen Gebiets zuwachs, der
ihm zugefallen ist, weiterer territorialer Erwerbungen nicht bedarf, ist auch
von serbischer Seite ausgesprochen worden. Nach alledem ist zu erwarten,
daß Serbien rechtzeitig Entschließungen fassen wird, die den Forderungen
der Mächte entsprechen.“
19. Oktober. (Berlin.) Resolution der nationalliberalen