Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 22.) 335
22. Oktober. (Berlin.) Der Geheime Oberregierungsrat im
Landwirtschaftsministerium Ganse ist zum Präsidenten der Ansiede-
lungskommission ernannt worden.
22. Oktober. (Berlin.) Der Geheime Kommerzienrat Ludwig
Max Goldberger, bis vor wenigen Tagen Präsident der Ständigen
Ausstellungskommission für die deutsche Industrie, +, 65 Jahre alt.
22. Oktober. Eine Antwort auf Churchills Feiervorschlag im
Flottenbau. (S. England.)
„Daily Chronicle“ veröffentlicht eine Unterredung ihres Berliner
Korrespondenten mit dem Staatssekretär des Reichsmarineamts, Groß-
admiral von Tirpitz, in der dieser sich folgendermaßen äußerte:
„Ich möchte bei der britischen Regierung keine falschen Vorstellungen
hervorrufen. Mir liegt vielmehr daran, daß das englische Volk und seine
Regierung die Tatsachen kennen lernen, so wie sie einmal liegen. Es ist
auch gar nichts zu verheimlichen. Ich will die Zweckmäßigkeit und Not-
wendigkeit der englischen maritimen Maßnahmen nicht in Abrede stellen.
Was Deutschland betrifft, so führen wir das Flottengesetz ohne Verzögerung
bis zum Ende durch. Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind so bekannt,
daß ich mich mit ihrer Darlegung nicht aufzuhalten brauche.“
„Niemals hat“, so betont der Staatssekretär dem englischen Bericht-
erstatter gegenüber, „irgend eine Beschleunigung bei der Ausführung des
deutschen Flottenprogramms stattgefunden. Wurde einmal ein Schiff etwas
früher auf Stapel gelegt, so geschah dies lediglich aus Gründen der Arbeits-
stabilität auf den Schiffswerften. Viele Leute, die uns des beschleunigten
Schiffbautempos beschuldigen, wissen offenbar nicht mit der Finanzaufstellung
Bescheid, der der Kriegsschiffbau unterliegt.
„Mein Wunsch ist es, alle Ursachen des Argwohns und Mißtrauens
verschwinden zu sehen. Ich möchte der englischen Oeffentlichkeit die Gewiß-
heit geben, daß unser Kriegsschiffbau wie bisher so auch in Zukunft mit
pünktlicher Regelmäßigkeit ausgeführt wird. Es ist wahr, daß in der letzten
Zeit einige Schiffsbauten einbegriffen wurden, die früher vom Reichstage
nicht bewilligt worden waren. Diese Ablehnung geschah aber seinerzeit unter
dem Einverständnis, daß die in Frage kommenden Schiffe zu einem späteren
Zeitpunkte von der Marinebehörde erneut gefordert werden sollten. Es ist
auch Tatsache, daß andere Schiffbauten in das Programm eingefügt werden
mußten zum Ersatz für veraltete Kriegsschiffe. Diese beiden angeblichen
Mehraufwendungen bedeuten also in Wirklichkeit keine Erweiterung des
Programms.“
„Ich betone,“ sagte Admiral v. Tirpitz, „daß die deutsche Flotte
eine rein defensive Aufgabe hat und nicht für Angriffszwecke gebaut ist.
Wie der deutschen Armee, so liegt der deutschen Marine ob, die Sicherheit
des Reiches und seines Handels zu gewährleisten. Außerdem setzt sie Deutsch-
land in den Stand, in den Angelegenheiten der Welt ein Wort mitzureden.
Ich vermag nicht einzusehen, wie man Deutschland diese Rolle verargen
kann. Einen von Deutschland geführten Angriffskrieg halte ich für un-
denkbar. Die Fortentwicklung der deutschen Marine wird sich nach den
Geboten der Politik und der Stärke der fremden Kriegsslotten zu richten
haben. Das ist eine schwere Aufgabe angesichts der Entwicklung in der
Ostsee und anderwärts. Ueber die Zukunft kann ich mich im übrigen nicht
auslassen. Aber ich möchte den altbekannten taktischen Grundsatz betonen,