350 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 8.)
Eurer Majestät als seinem von Gott gesetzten Oberhaupt emporschaut,
nimmt, vertreten durch die anwesenden Zeugen, dankbaren Anteil an diesem
erhebenden Akt; er stellt die Vollendung des Schrittes dar, zu dem Euere
Majestät sich, unter hochherziger Hintansetzung persönlicher Bedenken im
Interesse der Staatswohlfahrt entschlossen haben. Euere Majestät bitte ich
in dieser für Bayern so bedeutungsvollen Stunde, die allerehrfurchtsvollste
Huldigung des Gesamtstaatsministeriums und des Kollegiums der Staats-
räte sowie das Gelöbnis der unverbrüchlichen Treue, von der wir für Euere
Majestät beseelt sind, in Gnaden entgegennehmen zu wollen. Vereint mit
der Bevölkerung des Landes heben wir die Herzen zu Gott, mit dem innigen
Wunsche, daß der Allmächtige seine segnende Hand über Eure königliche
Majestäten und dem gesamten königlichen Hause immerdar walten lassen möge.“
Sofort nach der Eidesleistung fuhr der König nach dem Wittels-
bacher Palais zurück. Mittags erfolgte die Vereidigung der Truppen auf
den König.
8. November. (Hamburg.) Die Generalversammlung der
Hamburg-Amerika-Linie genehmigt einstimmig die Kapitalserhöhung
um 30 Millionen Mark auf 180 Millionen Mark.
8. November. (Berlin.) Das Urteil im neuen Krupp-
Prozeß.
Nach fast zweiwöchigen Verhandlungen verkündete der Vorsitzende
folgendes Urteil: Der Angeklagte Brandt wird wegen fortgesetzter Bestechung
zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, die Strafe aber als verbüßt er-
achtet; im übrigen wird Brandt freigesprochen; der Angeklagte Eccius wird
wegen Beihilfe zur fortgesetzten Bestechung zu 1200 Mark Geldstrafe, hilfs-
weise für je 10 Mark zu einem Tag Gesängnis, verurteilt. Die Kosten,
soweit Freisprechung erfolgt ist, fallen der Staatskasse, soweit Verurteilung
erfolgt ist, den Angeklagten zur Last. Die für die Bestechung aufgewendeten
Gelder in der Höhe von 1225 Mark werden als dem Staat verfallen erklärt.
8. November. (Berlin.) Die Städte Glasgow und Edin-
burg haben ihre Einladungen an die Stadt und mehrere andere
deutsche Städte zum Besuch von Schottland erneuert. In Aussicht
genommen ist für einen solchen Besuch der Anfang Juli.
8. November. Die Ausreise deutscher Linienschiffe.
Der Umstand, daß die deutschen Linienschiffe „Kaiser“ und „König
Albert“, begleitet von dem kleinen Kreuzer „Straßburg“, zum Zweck ihrer
Erprobung eine Reise von mehreren Monaten nach dem Atlantischen Ozean
antreten sollen, hat einige Blätter zu kritischen Betrachtungen veranlaßt,
in denen Bedenken über eine zeitweise Verminderung der Hochseeflotte ge-
äußert und die Entsendung von Schiffen dieser Flotte als ein vollständiges
Novum bezeichnet wurde. Letzteres trifft aber nicht zu. Wie die „Kieler
Zeitung“ in Erinnerung bringt, hat die Marine in den letzten Jahren
wiederholt die neuesten großen Schiffe zur Erprobung ihrer Einrichtungen
auf weite Fahrt gesandt, so im Frühjahr 1911 den ersten Turbinen-Panzer--
kreuzer „von der Tann“ nach Südamerika, dann den Panzerkreuzer „Moltke“
und den kleinen Kreuzer „Stettin“ nach Nordamerika. Diesmal handelt es
sich um die ersten Turbinen-Linienschiffe, deren Einrichtung auch auf dem
Ozean eingehend erprobt werden soll, während sonst die Schiffe der Hochsee-
slotte wegen der Personalausbildung an die Nord- und Ostsee gebunden sind.