Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 9. 10.) 351 
        9. November. Der Minister des Innern hat den Regierungs- 
präsidenten in Schleswig angewiesen, den Gebrauch der norwegischen 
Sprache bei dem vom Polarforscher Roald Amundsen in Flensburg 
geplanten Vortrag zu gestatten. (Siehe 4. November.) 
        9. November. (Berlin.) Die „Nordd. Allg. Ztg.“ über die 
Lage im Orient: 
„Für die Aufhellung der Orientlage haben sich gewisse Hemmungen 
eingestellt, die das Friedenswerk, ohne es ernstlich stören zu können, ver- 
zögern. Die griechisch-türkischen Verhandlungen, die schon vor vierzehn 
Tagen dem Abschluß nahe schienen, sind in ein Stocken geraten, an dessen 
Ueberwindung noch gearbeitet wird. Weder dieses Zwischenspiel noch das 
Wiederaufleben von anderen Sonderwünschen einzelner Orientstaaten ist an 
sich bedenklich, solange sich nicht die Großmächte zu einer einseitigen und 
für das Einvernehmen unter ihnen selbst unerwünschten Parteinahme be- 
stimmen lassen. Das ist bisher nicht geschehen und wird auch fernerhin 
verhütet werden. Im Vertrauen auf das Uebergewicht europäischer Friedens- 
interessen darf man einstimmen in die ruhige Zuversicht, mit der Sir Ed- 
ward Grey in Newcastle und, nach Drahtmeldungen aus Paris, der russische 
Ministerpräsident, Herr Kokowzow, sich über die Lage geäußert haben.“ 
         9. November. (Schwerin.) Die Generalversammlung des 
liberalen Landes-Wahlvereins, in der zirka 7000 Mitglieder vertreten 
waren, nimmt betr. der mecklenburgischen Verfassungsfrage einstimmig 
die folgende Entschließung an: 
„Mehr als fünfjährige Verhandlungen mit dem mecklenburgischen 
Landtag haben dargetan, daß es unmöglich ist, eine Verfassung, die dem 
Rechtsbewußtsein der Gegenwart und den wirtschaftlichen Bedürfnissen des 
Volkes entspricht, im Lande zu erreichen. Die Regierung hat die in Aus- 
sicht gestellte zeitgemäße Vorlage nicht eingebracht; die Ritterschaft will, 
obwohl ihr weitgehende Rechte eingeräumt werden sollten, ihre Sonder- 
wünsche und Sonderinteressen dem Gesamtwohl nicht unterordnen. Unter 
diesen Umständen hat die Regicrung selber eine Fortsetzung der Verhand- 
lung mit den Ständen für aussichtslos erklärt. Die Generalversammlung 
des liberalen Landes-Wahlvereins beauftragt demgemäß ihren geschäfts- 
führenden Ausschuß, unverzüglich alle Schritte zu tun, die geeignet sind, 
das Reich zur Einführung wahrhaft konstitutioneller Verhältnisse in Mecklen- 
burg zu veranlassen." 
          9. November. Einweihung des vom Kaiser gestifteten Er- 
holungsheims für den Jungdeutschlandbund auf Fort Spitzberg der 
Festung Silberberg. 
         9. November. (Oldenburg.) Die Regierung fordert vom 
Landtag 6450000 Mark für Eisenbahnzwecke. 
          8.—10. November. (Zabern.) Infolge einer absprechenden 
Bemerkung eines Offiziers kommt es zu erregten Straßenkund- 
gebungen. 
Gelegentlich einer Instruktionsstunde vor neu eingestellten Rekruten 
fragte der Leutnant von Forstner vom 99. Iufanterieregiment die Rekruten 
nach ihrem Nationale. Einer der Rekruten hatte wegen einer Schlägerei
	        
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