352 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 11.)
drei Monate Gefängnis verbüßt. Der Offizier sprach dann von den tät-
lichen Angriffen, die in letzter Zeit wiederholt auf Wachtposten und
Rekruten verübt worden waren, und sagte: Sollten die Rekruten einmal
auf Posten von „Wackes“ angegriffen werden, so sollten sie dreinhauen und
sich richtig benehmen. Wenn der Rekrut dann einen „Wackes“ zusammen-
stieße, so bekäme er keine drei Monate Gefängnis, sondern von ihm sogar
noch eine persönliche Belohnung von zehn Mark. Auf dem Wege zu seiner
Wohnung wurde der Leutnant von Forstner dann in der Nacht des 7. No-
vember von einem großen Menschenauflauf belästigt. Die Menge gab am
8. November ihrem Unwillen lauten Ausdruck und drohte, die Läden ein-
zuschlagen. Am 9. November (Sonntagg setzte sich die demonstrative Haltung
gegen den Leutnant fort. Hunderte von jungen Burschen und Männern
amen aus den umliegenden Ortschaften und sammelten sich in der Nähe
der Wohnung des Leutnants. Rufe wie: „Wir sind keine Wackes!“ und
Drohungen wurden laut, auch geballte Fäuste wurden ihm entgegengestreckt,
so daß es der Bedrohte für ratsam hielt, in die nahe Gastwirtschaft „Zum
Karpfen“ einzutreten. Inzwischen erschien der herbeigerufene Regiments-
kommandeur v. Reuter und erklärte den Leuten, daß das Vorkommnis ent-
stellt geschildert worden sei. Aber man rief immer wieder: „Wir sind El-
sässer, aber keine Wackes!“ Darauf begab sich der Oberst in den „Karpfen“
und erschien bald wieder mit dem Leutnant von Forstner und zwei anderen
Offizieren, die den Leutnant in die Schloßkaserne begleiteten. Die herbei-
gerufenen Gendarmen und die städtische Polizei veranlaßten die Leute, sich
zu zerstreuen, was nicht ohne Zuhilfenahme einer Feuerwehrspritze anging,
gegen deren Strahlen johlend die Schirme aufgespannt wurden.
11. November. (Braunschweig.) Für die überführung des
Welfenschatzes von Gmunden werden Vorbereitungen getroffen:
Das „Neue Wiener Tagblatt“ berichtet darüber: Nach den Ereignissen
von 1866 kam der Welfenschatz, der von Preußen als Privateigentum des
ehemaligen hannoverschen Königshauses anerkannt worden war, nach Wien,
da König Georg V. seinen Wohnsitz in Hietzing genommen hatte. Der König
überantwortete die Sammlung dem Museum für Kunst und Industrie, wo
sie auch öffentlich ausgestellt war. Erst 1906 brachte man den Welfenschatz
nach Gmunden. Die Anfänge des Welfenschatzes gehen bis auf die Zeit
Heinrichs des Löwen, des Ahnherrn des Welsengeschlechts, zurück, der während
seiner im Jahre 1172 unternommenen Pilgerfahrt ins Heilige Land sich
zum Besuch des Kaisers in Konstantinopel aufhielt und beim Abschied von
diesem eine Anzahl Prachtstücke byzantinischer Kunst zum Geschenk erhielt.
Diese bildeten den Grundstock der Sammlung. Als der Schatz 1679 in den fidei-
kommissarischen Besitz des Herzogs Ernst August überging, wurde er in der
Schloßkirche von Hannover aufgestellt. Während der Franzosenkriege wanderte
der Schatz nach England, wo man ihn vor den Franzosen in Sicherheit
brachte. Nachdem die Gefahr vorüber war, führte man ihn zurück nach
Hannover in das königliche Archiv. Erst 1859 vertraute ihn König Georg V.
dem Welfenmuseum an. Die Sammlung besteht aus 82 Gegenständen;
darunter befinden sich mehrere Reliquienschreine und Tragaltäre, 11 Kreuze,
17 wertvolle Monstranzen sowie eine Anzahl Arm- und Kopfreliquien.
11. November. (Straßburg.) Amtliche Feststellung des
Zabernfalles.
Das Generalkommando hat eine Untersuchung über die in der Presse
besprochenen Vorfälle beim Infanterieregiment Nr. 99 in Zabern angeordnet,
bei der sämtliche Zeugen gerichtlich vernommen sind. Die Untersuchung hat