384 Has Beuische Reich und seine eingelnen Glieder. (Dezember 3.)
nicht Sitte, einen Leutnant, der selbst noch der Erziehung bedurfte, zum
Erzieher anderer zu bestellen, sondern da hat man sich bemüht, den reifsten
von den Leutnants auszuwählen, um die Rekruten auszubilden, einen Mann,
der durch sittlichen Ernst, Können und Ueberlegenheit den Rekruten im-
ponieren konnte. Darum ist es auch zu meiner Zeit niemals vorgekommen
— wenigstens in meinem Regiment nicht —, daß Schimpfworte dieser Art
gebraucht worden sind, am allerwenigsten das Wort „Wackes“. Wir waren
alle Soldaten, deren Ansehen und Wertschätzung nicht durch die Abstam-
mung, sondern lediglich durch die Tüchtigkeit bedungen waren. Das scheint
leider mittlerweile anders geworden zu sein, und nicht allein in Zabern,
sondern auch in anderen Garnisonsorten. Es mehren sich die Klagen täg-
lich, daß die jungen Leutnants gegenüber den Mannschaften in einen rüden
Ton verfallen. Ein Getöse von Schimpf= und Scheltworten soll da offen-
bar über den Mangel an Kenntnissen und Sicherheit hinwegtäuschen.
Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg: M. H., nach dem Er-
gebnis der Erhebungen stellen sich die Vorgänge in Zabern wie folgt
dar, wobei ich vorweg bemerken will, daß im unmittelbaren Anschluß
an meine Ausführungen der Herr Kriegsminister ergänzend das Wort er-
greifen will. Der Leutnant v. Forstner hat in einer Instruktionsstunde
einem Rekruten Anweisung gegeben, wie er sich verhalten solle, wenn er
angegriffen würde. Im Hinblick auf manche ernsten und traurigen Er-
eignisse in den letzten Jahren hatte der Leutnant wohl Veranlassung, dies
um Gegenstand der Instruktion zu machen. Er hat bei dieser Gelegenheit
für den Eintritt einer bestimmten Eventualität eine Geldprämie ausgesetzt,
die der gleichfalls anwesende Unteroffizier erhöht hat. Diese Aussetzung einer
Geldprämie war selbstverständlich eine Ungehörigkeit. Der Leutnant hat bei
der Gelegenheit denjenigen, der sich an dem Rekruten vergriffen haben sollte,
einen Wackes genannt. Weiterhin hat derselbe Leutnannt in der Instruk-
tionsstunde seine Rekruten vor dem Eintritt in die Fremdenlegion gewarnt.
Das war sein gutes Recht. Er hat aber dabei mit Bezug auf den Dienst
in der Fremdenlegion einen durchaus ungehörigen Ausdruck gebraucht. Die
Pressemeldung, und diese Pressemeldung ist von einem der Herren Vor-
redner heute im Reichstag vertreten worden, daß der Leutnant die fran-
zösische Fahne beschimpft haben sollte, ist nach dem Ergebnis der Unter-
suchung unrichtig. Da diesem Ergebnis von gewisser Seite widersprochen
worden ist, es aber unbedingt notwendig ist, daß in ditser Beziehung Klar-
heit geschaffen wird, ist die Untersuchung wieder ausgenommen worden, aber
noch nicht abgeschlossen. Beleidigungen einer Armee, mit der wir vor mehr
als 40 Jahren in ehrenvoller Weise die Waffen gekreuzt haben, würden
selbstverständlich in der deutschen Armee nicht geduldet werden. Endlich hat
derselbe Leutnant in der Instruktionsstunde dreimal Elsässer als Wackes
tituliert. Ein Rekrut hat sich auf Befehl des Unteroffiziers bei dem Offizier
mit dem Ausdruck: „Ich bin ein Wackes!“ melden müssen. Für die vor-
gekommenen Ungehörigkeiten ist der Offizier rektifiziert und bestraft worden,
ebenso der Unteroffizier. Auch das ist eine Selbstverständlichkeit. Die Vor-
gänge in der Instruktionsstunde sind von beteiligten Militärpersonen in die
Oeffentlichkeit getragen worden, und zwar die Vorgänge rücksichtlich der
Fremdenlegion durch ein mit Namen unterzeichnetes Schriftstück an die
Presse. Wegen dieses mit der militärischen Disziplin absolut unvereinbaren.
Vergehens sehen die Schuldigen ihrer Bestrafung entgegen. M. H., ich
habe diese ersten Vorgänge noch einmal kurz skizziert, weil sie schließlich
die Quelle all der Dinge gewesen sind, die sich hinterber ereignet haben.
Ich will ebensowenig, wie es der Kriegsminister neulich getan hat, etwas
beschönigen oder verheimlichen. Aber was lag bei diesen ersten Vorgängen