Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 3.) 387 
werde mich durch Ihre Zwischenrufe nicht mehr stören lassen und werde 
nicht mehr antworten. Vielleicht lassen Sie es dann. Soweit die Sache 
bisher geprüft werden konnte, lag hierzu eine gesetzliche Befugnis nicht vor, 
insoweit es sich nicht um Festnahmen auf frischer Tat gehandelt haben 
sollte, in welchem Falle allerdings die Festgenommenen sofort an die 
Polizeiorgane hätten abgegeben werden müssen. M. H. Das Militär ist 
in dieser Weise eingeschritten in der Ansicht, daß die zivilen Sicherheits- 
organe versagt und bei den bisherigen Vorkommnissen ihnen keinen oder 
keinen genügenden Schutz gewährt hätten. Die Zivilbehörden von Zabern 
bestreiten dies aufs allerentschiedenste. In dieser tatsächlichen — nicht in 
der rechtlichen — in dieser tatsächlichen Frage stehen sich also die Ansichten 
der Lokalbehörden schroff einander gegenüber. Wer von beiden absolut recht 
hat, ist mir auf Grund der vorliegenden Untersuchungsverhandlungen zu 
entscheiden nicht möglich. Ob das in Zukunft möglich sein wird, m. H., 
das möchte ich dahingestellt sein lassen. (Zuruf bei den Sd.: Das ist 
Ihre Bankrotterklärung! — Glocke des Präsidenten. Zuruf bei den Sd.: 
Jawohl, das ist Ihre Bankrotterklärung!) Meine Herren, ich will auch den 
Herren die Gründe angeben, warum ich glaube, daß sich das sehr schwer 
entscheiden läßt. Die Zivilbehörden werden andauernd den Standpunkt ver- 
treten, daß selbst bei einer Verstärkung der zivilen Sicherheitsorgane, die 
inzwischen in Zabern vorgenommen ist, es nicht möglich ist, an jedem Ort 
der Stadt, wo eine Ungesetzlichkeit passiert, sofort zur Stelle zu sein. Ich 
glaube, das ist nach den praktischen Verhältnissen, wie sie in den kleineren 
Städten liegen, vollkommen verständlich. 
Auf der anderen Seite wird die Militärbehörde dauernd und mit 
Recht den Standpunkt vertreten, daß sie Beleidigungen, die ihr zugefügt 
werden, nicht auf sich sitzen lassen kann, und daß sie das namentlich in 
diesem Falle nicht kann, wo es sich nicht um eine einzelne, vereinzelte Be- 
lästigung gehandelt, sondern nach dem, was ich Ihnen mitgeteilt hatte, eine 
ganze Kette von aufeinanderfolgenden Belästigungen. Ob Verletzungen der 
Strafgesetze vorgelegen haben, ob zivilrechtliche Entschädigungsansprüche 
geltend zu machen sind, das wird der Richter entscheiden müssen. Jeden- 
falls aber bitte ich die Herren, auch in diesem ernsten und in vieler Be- 
ziehung sehr traurigen Falle nicht zu vergessen, daß die Armee das Recht 
hat, sich gegen direkte Angriffe zu schützen. Und sie hat nicht nur dieses 
Recht, sie hat auch die Pflicht dazu. Sonst kann keine Armee in der Welt 
bestehen. Der Rock des Königs muß unter allen Umständen respektiert 
werden. Und, m. H., daß es das Bewußtsein dieser Pflicht, die Armee 
zu schützen, daß es lediglich das Bewußtsein dieser Pflicht gewesen ist, 
das die Militärbehörde in Zabern veranlaßt hat, einzuschreiten, ist für 
mich nicht zweifelhaft, auch wenn in der Folge bei den Maßnahmen, die 
ergriffen worden sind, die gesetzlichen Grenzen nicht eingehalten wurden. 
M. H., ich muß aber bei dieser Gelegenheit schärfste Verwahrung da- 
gegen einlegen, daß der Herr Abg. Peirotes, unter einem nicht miß- 
zuverstehenden Hinweis auf die Offiziere in Zabern von Hochverrätern ge- 
sprochen hat. Den Ausdruck „Hochverräter“ dürfen Sie nur gegen einen 
Menschen benutzen, der des Hochverrats schuldig erkannt worden ist. (Zu- 
ruf bei den Sd.: Es sind aber Hochverräter! Große Unruhe. Wiederholte 
Rufe rechts: Zur Ordnung!) M. H., vollkommen verfehlt aber erscheint 
mir das Bestreben, die bedauerlichen Vorgänge in Zabern nicht aus 
ihren besonderen Umständen heraus, sondern als Ausdruck eines tief- 
gehenden allgemeinen Gegensatzes zwischen Zivil- und Militärverwaltung 
ansehen zu wollen. Ich habe obiektiv dargelegt, wie der Fall entstanden 
ist. Er ist aus verhältnismäßig kleinen örtlichen Vorkommnissen, aus 
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