Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 3.) 393
narische Maßnahmen hier eine öffentliche Erklärung abzugeben. Der Herr
Abgeordnete Fehrenbach hat weiter für Milderungsgründe gegenüber den
Rekruten gesprochen, die man unter Anklage gestellt hat. Es handelt sich
um drei Mann. Ueber die Milderungsgründe hat das Gericht zu ent-
scheiden. Es handelt sich um ein Vergehen, das auf disziplinarischem Wege
nicht erledigt werden darf, und ich hoffe, daß das Gericht Veranlassung
nehmen wird, die Sache nach allen Seiten eingehend zu prüfen. M. H.,
schließlich hat der Herr Abgeordnete Fehrenbach einen Ausdruck, den ich
gebraucht habe, besonders angegriffen. Er hat gemeint, in dem Ausdruck,
mit dem ich von den etwaigen Folgen der Beleidigungen eines Offiziers
auf der Straße sprach, hatte eine Aufforderung oder eine Rechtfertigung
für den Waffengebrauch eines Offiziers bei schweren Beleidigungen gelegen.
M. H. das ist nicht der Fall. Was ich gesagt habe, war nur das: wenn
ein Offizier schließlich bei solchen Zuständen, wie sie jetzt in Zabern herrschen,
immer und immer wieder — (Zurufe von den Sd.) — m. H., ich konnte
das wegen der vielen Zwischenrufe im einzelnen nicht ausführen — beleidigt
wird und dann zur Selbsthilfe schreitet, den Mann festnehmen will und
dann gezwungen wird, seine Waffe zu gebrauchen, weil dieser Mann sich
wehrt, so ist das sehr viel schlimmer, als wenn eine Patrouille mit-
genommen wird.
Abg. Dr. van Calker (Nl.). Hätte sogleich nach der Veröffentlichung
dieser Sache die Verwaltung erklärt: „Wenn die Ausdrücke des Leutnants
richtig sind — wir wissen das jetzt noch nicht, die Sache wird sofort unter-
sucht werden —, so wird die entsprechende Strafe eintreten“, so bin ich
fest überzeugt, es wäre nie zu dieser ganzen Geschichte gekommen. Ich gebe
durchaus zu: die Bestrafung eines Schuldigen ist selbstverständlich — aber
in der Politik muß man eben recht häufig auch etwas Selbstverständliches
doch ausdrücklich sagen. Aber warum hat das die Militärverwaltung nicht
getan? Das ist allerdings ein Punkt, der hier ganz deutlich und klar aus-
gesprochen werden muß! Es ist nicht gesagt worden aus dem Gesichtspunkte
einer meines Erachtens ganz falschen Prestigepolitik, einer Prestigepolitik,
die meint, daß sie selbst dann die Autorität gefährdet, wenn sie ein be-
gangenes Unrecht einsieht. M. H., ich meine, es ist umgekehrt, ich meine,
daß man die Autoriät dann gefährdet, wenn man ein Unrecht zu beschönigen
sucht! Darin liegt der schwere Fehler, den die Militärverwaltung gemacht
hat. Ich habe erwartet — das gebe ich ruhig zu —, daß der Herr Kriegs-
minister heute sagen würde: wir haben einen Fehler damit gemacht, daß
wir das nicht gleich am zweiten oder dritten Tage korrigiert haben. Wäre
das geschehen, dann wäre volle Befriedigung gewesen, und dann würde dem
Herrn Reichskanzler seine schwere Arbeit erleichtert gewesen sein.
Und nun die weitere Entwicklung, in der die Polizeiverwaltung zum
Teil vom Militär übernommen wird, weil sie sagt: die Polizei der Zivil-
verwaltung vermag uns nicht zu schützen. Wie denken Sie sich, Herr Kriegs-
minister, und wie denkt sich der Herr Reichskanzler die Zukunft des Landes
Elsaß-Lothringen? Ich weiß, daß gar manche der Meinung sind: Militär-
diktatur, das ist das Richtige für dieses Land. Ich bin begierig, ob es
ausgesprochen wird. Jedenfalls haben manche diese Auffassung, und sie ist
ja auch in Zeitungen vertreten worden. Wollen wir uns einmal ruhig auf
den Standpunkt stellen: Militärdiktatur, Glacispolitik in Elsaß-Lothringen,
Elsaß-Lothringen lediglich als ein Festungsgelände aufgefaßt, maßgebend
allein militärische Gesichtspunkte, größte, schärfste militärische Energie. Gewiß
eine mögliche Regierungsmethode — ich habe freilich noch nicht gehört, daß
jemals ein Land auf diese Weise innerlich gewonnen worden ist, aber
immerhin eine mögliche Regierungsmethode! M. H., haben wir alle mit-