Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 4.) 395
Präsidenten.) Ich werde eine Pause machen, bis es dem Herrn Präsidenten
gelungen ist, mir diejenige Ruhe zu verschaffen, um weiter sprechen zu
können. M. H., ich wiederhole, ich kenne diese Berichte ganz genau und
habe sie bei meiner Darstellung verwertet. Ich habe ausdrücklich betont,
daß über die Frage, ob die Zivilsicherheit versagt hat, ein scharfer Wider-
spruch der Aussagen zwischen der Militär= und der Zivilverwaltung besteht.
Ich habe weiter ausdrücklich hervorgehoben, daß die mangelnde Kooperation
zwischen Militär- und Zivilbehörden zum guten Teil schuld an den un-
erfreulichen Vorgängen in Zabern war und daß nur der andauernde Kon-
takt beider wieder zu normalen Zuständen führen kann. Wie soll ich das
alles sagen können, ohne daß ich die Zivilberichte kenne! Wenn ich die-
jenigen Vorgänge dargestellt habe, auf Grund deren das Militär ein-
geschritten ist, so muß ich mich doch auf die Darstellung der Militärverwal-
tung stützen. Es ist doch unmöglich, das anders zu machen. Die Aussagen
der Zivilverwaltung über die Vorgänge vom 28. November beziehen sich
im wesentlichen auf die Ereignisse bei der Räumung des Schauplatzes und
auf die Behandlung der Verhafteten. Ich habe von allen diesen Dingen
ganz ausdrücklich gesagt, daß sie im Gesetz keinen Grund finden. Wie kann
man denn unparteiischer über derartige Sachen urteilen? Wenn ich das
gestern ruhig und leidenschaftslos vorgetragen habe, so ist das mit Absicht
geschehen. Wegen der tiefen Beunruhigung, die weite Kreise der Bevölkerung
erfüllt, die ein Verständnis dafür haben, daß es sich hier um Ruhe und
Ordnung handelt, mußte ich mir diejenige Ruhe auferlegen, die es ermög-
licht, die Situation nicht zu verschlimmern, sondern zu bessern. Darauf
kommt es an. Nun hat Herr van Calker aus meiner Rede Zweifel darüber
herausgehört, wie meine Stellung zu der künftigen Politik in Elsaß-
Lothringen ist. Ich habe mich über diese Stellung schon oft in diesem
hohen Hause ausgesprochen, und ich bin auch vielen Anfeindungen deshalb
ausgesetzt gewesen. Daß darin kein Zweifel ist, mögen die Herren daraus
ersehen, daß auch die peinlichen Ereignisse in Zabern mich in meiner An-
sicht nicht wankend gemacht haben. Das ist nicht der Fall, wenn ich auch
gestern nicht in diesem leidenschaftlichen Tone gesprochen habe, wie andere
Herren in diesem hohen Hanse. M. H. ! Ich möchte sprechen über Dinge,
die noch größtenteils der disziplinarischen Ahndung harren. Bei diesem
Stande der Dinge muß sich der Reichskanzler eine andere Reserve auf-
erlegen, wie die Herren Abgeordneten. M. H.! Sie haben mich gezwungen,
über meine Stellung in der Politik gegenüber Elsaß-Lothringen zu sprechen.
Ich will mit einigen Worten mich noch einmal darüber aussprechen, ob-
wohl ich weiß, daß ich sehr viele Widersprüche erfahren werde. M. H.! Ich
bin konsequent in meiner Politik. (Lebhafter Widerspruch und Heiterkeit.)
Ich muß darüber sprechen. Wie liegen denn die Dinge? Ich habe mich
in voller Uebereinstimmung mit dem Statthalter Grafen Wedel dafür ein-
gesetzt, daß die Verfassungszustände, wie wir sie dort haben, eingeführt
werden. Ich habe das nicht getan aus Verlegenheit oder aus Nachgiebig-
keit, ich habe diese Politik verfolgt, weil ich überzeugt bin, daß wir dort
nicht vorwärts kommen können, wenn wir nicht ganze Arbeit machen, da
es schwer hält, aus Sihdeutchn neue Preußen zu machen. (Heiterkeit und
Unruhe.) Denn, m. H., ich will eine Politik führen unter Berücksichtigung
der Stammeseigenschaften, wie sie sich aus der Geschichte herausgebildet
haben. Weil ich so denke, erlaube ich mir heute, diesen Appell an die Be-
völkerung zu richten. Sie sollen daran mitarbeiten, nicht mit einer über-
triebenen Empfindlichkeit sich abseits stellen, sie sollen weiter mitarbeiten
an der Sache. Mir ist vorgeworfen worden, gerade durch den Verfassungs-
streit die schlechten Zustände herbeigeführt zu haben. Das höre und lese