Das Denisqhe Reith nnd seine einzelnen Glieder. (Dezember 9.) 409
will doch viel sagen, hat damals am 3. Mai 1912 gesagt — es war ver-
lesen worden die Erklärung, die ich durch den Mund des Staatssekretärs
des Innern über die beabsichtigte Aenderung der Geschäftsordnung hatte
abgeben lassen —: Soweit ich das aus der Verlesung entnehmen konnte,
war diese Mitteilung, die uns da gemacht wurde, entweder überflüssig oder
nicht berechtigt, überflüssig insofern, als eine Verwahrung dagegen, daß der
Reichstag beabsichtige, durch die Ausgestaltung des Interpellations-- und
Fragerechts eine Machterweiterung vorzunehmen, vollkommen gegenstands-
los ist. Das hat damals der Abgeordnete Ledebour gesagt. Und der Ab-
geordnete David hat ausgeführt: Was wird hier Neues geschaffen? Eine
reine Zweckmäßigkeitsfrage ist es, daß solche Anträge auch am Ende einer
Interpellationsdebatte zulässig sein sollen. Das ist das einzig Neue, was
geschaffen wird, sonst nichts. Also alles, was man sich da an Deduktionen
geleistet hat, das sei ein Uebergriff, das sei eine Erweiterung der Rechte
des Parlaments, die unzulässig sei, ist angesichts der Tatsache, daß heute
schon dem Reichstag dieses Recht an sich zusteht, hinfällig. M. H., es han-
8 sich nur um ein rascheres, um ein zweckmäßigeres Verfahren, eine
Meinungsäußerung des Reichstags in irgendeiner Frage der inneren und
äußeren Politik zu eruieren. Ich möchte noch einen weiteren Sat der Aus-
führungen des Abgeordneten Ledebour verlesen, den ich vorhin vergessen
habe: Denn in den sehr langen und ausführlichen Ausführungen in der
Kommission wurde von allen Seiten ausdrücklich festgestellt, daß niemand
etwas derartiges beabsichtigt. — Das war die Negation der Machterwei-
terung. Nun, m. H., vergleichen Sie damit die Stellung, die heute der Ab-
geordnete Scheidemann einnimmt. Das ganze Haus ist damals der Ansicht
gewesen, daß dieser Antrag ein Internum des Reichstags ist, und heute
wollen Sie mit einem Male durch den Antrag, der an eine Interpellation
geknüpft wird, einen Druck ausüben, sei es auf die Entscheidung des Kaisers,
sei es auf die Entscheidung des Reichskanzlers! M. H., das ist eine Ver-
änderung unserer verfassungsrechtlichen Zustände. Das bedeutet die Auf-
richtung der Herrschaft des Parlaments. Der Abgeordnete Scheidemann hat
auf französische und englische Verhältnisse Bezug genommen. Ja, das weiß
jedes Kind, daß die verfassungsrechtlichen Verhälmisse in Frankreich ganz
verschieden von denen bei uns in Deutschland sind. Ich weiß sehr wohl,
Sie arbeiten auf diese Verhältnisse hin. Ich werde mich aber mit allen
meinen Kräften dem entgegensetzen, daß in dieser Beziehung unsere ver-
fassungsrechtlichen Verhältnisse verändert werden. M. H., nach der Reichs-
verfassung steht dem Kaiser die Ernennung und die Entlassung des Reichs-
kanzlers in vollkommen freier Entschließung zu, und es ist verfassungs-
widrig, darauf einen Druck ausüben zu wollen. Wegen des Beschlusses vom
vorigen Donnerstag habe ich nicht meine Demission eingereicht, und wegen
dieses Beschlusses werde ich nicht meine Demission einreichen. Ich bitte die
Herren doch auch zu bedenken, daß es sich — ich will die Bedeutung dieses
Interpellationsantrages damit in keiner Weise einzuschränken suchen, son-
dern nur sie auf den richtigen Punkt zurückführen — daß es sich bei diesem
Antrage, der an eine Interpellation geknüpft wird, darum handelt, fest-
zustellen, daß die Behandlung des Interpellationsgegenstandes mit den An-
schauungen des Reichstags nicht in Uebereinstimmung ist. Derartige Mei-
nungsoerschiedenheiten, m. H., haben wir häufig, ja, sie sind schließlich ein
Bestandteil unseres politischen Lebens. (Lachen bei den Sd.) — Lachen Sie
nur nicht. — Derartige Meinungsverschiedenheiten treten noch viel schärfer
hervor, wenn ein wichtiges Gesetz von Ihnen abgelehnt wird. Dann ist
eine Meinungsverschiedenheit zwischen Regierung und Reichstag gegeben,
welche tatsächlich auf die Entwicklung unserer öffentlichen Zustände von