Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 13.) 435 
berger hat hier gestern erklärt, daß seine Fraktion dem Mißbilligungs- 
antrag zugestimmt habe, weil — darauf laufen seine Ausführungen hinaus — 
ich statt Recht und Gesetz zu schützen, ungesetzliche Gewalt beschönigt und 
verteidigt habe. M. H.! Der Interpellationsbegriff sollte — das Wort ist 
gestern gefallen — ein politisches Urteil darstellen. M. H.! Dieses Ur- 
teil kann zunächst doch nur dahin gehen, daß bei uns Recht und Gesetz 
unter allen Umständen und selbständig von den öffentlichen Gewalten in 
allererster Linie gewahrt werden müssen, und daß, wo Rechtsverletzungen 
vorkommen, die Sühne nicht ausbleiben darf. Nun, m. H.! Wenn Sie 
an das zurückdenken, was am Montag voriger Woche, als ich zum ersten 
Male über Zabern sprach, und dann am Mittwoch und Donnerstag gesagt 
habe, so werden Sie finden, daß ich diese Grundsätze scharf wiederholt und 
nachdrücklich ausgesprochen habe. Darin haben ja natürlich die Herren 
aller Parteien im Saale recht: ein Reichskanzler, der dieses Gesetz ab- 
leugnet, der muß fort von seinem Platze, muß abtreten. M. H.! Wenn 
dieses Recht, von dem ich hier gesprochen habe, verletzt worden ist, so muß 
es seine Sühne finden, und zwar, worauf ich schon wiederholt hingewiesen 
habe, im Rechtsstaat, im geordneten Rechtsverfahren. Dieses Rechtsverfahren 
ist in der goberner Angelegenheit eingeleitet worden. Habe ich mich etwa 
diesem Verfahren widersetzt? Habe ich nicht vielmehr darauf hingewirkt? 
M. H., ich habe weiter am ersten Tage der Interpellationsdebatte für die 
Armee das Recht vindiziert, sich gegen direkte Angriffe zu wehren. Das 
ist gesetzliches Recht. Ich habe des weiteren ausdrücklich gesagt, daß von 
einem gewissen Zeitpunkte ab die militärischen Maßnahmen, soweit die 
Untersuchung bisher geführt worden ist, eine Ueberschreitung der gesetzlichen 
Schranken bedeuten. M. H.! Wo bleibt da der Vorwurf, daß ich das Recht 
nicht genügend geschützt habe? Der Abg. Erzberger hat ferner meinen Hin- 
weis auf die Verschiedenartigkeit der Motive und der Ziele der Inter- 
pellationsbeschlüsse nicht gelten lassen. Der Abg. Erzberger hat dabei voll- 
kommen übersehen, daß ich mich, als ich diese Worte sagte, nicht gegen die 
bürgerlichen Parteien gewandt habe, sondern gegen die Tendenzen der 
sozialdemokratischen Fraktion, aus den Zaberner Vorgängen einen Anlaß 
zu einem Sturmlauf gegen die Verfassung und gegen die kaiserlichen Rechte 
herzuleiten. Glauben Sie nicht, daß ich die Motive verkenne oder die 
Empfindungen nicht würdige, aus denen von bürgerlicher Seite in der 
Sorge um Recht und Gesetz hier Ausführungen gemacht worden sind. Diese 
Motive und diese Empfindungen verkenne ich keineswegs. Aber um so 
mehr habe ich das Recht, die Behauptung, daß ich das Recht nicht geschützt 
hätte, daß ich den Respekt vor dem Gesetz nicht gewahrt hätte, als eine 
Umkehrung des wirklichen Sachverhalts zu bezeichnen, gegen die ich hier- 
mit entschieden Verwahrung einlege. 
         13. Dezember. (Frankfurt a. M.) Enthüllung des Heine- 
Denkmals. 
         13. Dezember. (Berlin.) In der „Post“ schreibt der Landtags- 
abgeordnete und Freikonservative Freiherr v. Zedlitz über die Zabern- 
rede des Reichskanzlers: 
„Daß der Reichskanzler durch die Verhandlungen im Reichstage über 
den Fall Zabern an Ansehen nicht gewonnen hat, wird bedauerlicherweise 
kaum zu bestreiten sein. Nicht wegen des Mißbilligungsbeschlusses des 
Reichstages vom 4. ds. Monats, sondern durch die nahezu unverständliche 
Art, wie er die Sache der Regierung und seine eigene geführt hat. Daß 
sich zu jenem Mißbilligungsvotum eine so starke und so verschieden zu- 
                                                            28*
	        
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