Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

454 DLie stterreichisch-ungerische Monarchie. (März 13.— April 5.) 
zwischen der österreichisch--ungarischen und der russischen Regierung verein- 
barte gleichlautende Communiqué einen ergänzenden Passus. Die Auf- 
nahme dieses in der bezüglichen Vereinbarung der beiden Kabinette nicht 
inbegriffenen Passus in den im Einvernehmen publizierten Tert des Com- 
muniquêés wurde seitens Oesterreich-Ungarns schon aus dem Grunde für 
unnötig befunden, weil unsere politische Haltung gegenüber unserem süd- 
lichen Nachbarn nicht erst aus den bei dem gegenwärtigen Anlaß ge- 
pflogenen Erörterungen sich ergab. Es braucht in dieser Richtung nur 
darauf hingewiesen zu werden, daß Graf Berchtold schon am 5. November 
v. J. vor dem kompetenten Forum der Delegationen die Erklärung abgab, 
daß die Monarchie bereit sei, eine Grundlage zu dem dauernden, freund- 
schaftlichen Einvernehmen mit den Balkanstaaten zu schaffen.“ Die Agentur 
erklärt in diesem Zusatz, sie sei ermächtigt mitzuteilen, „daß, wie aus den 
Besprechungen mit dem Wiener Kabinett hervorgehe, Oesterreich-Ungarn 
keine Angriffspläne gegen seine südlichen Nachbarn hegt“. 
13. März. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Nach stürmischer 
Sitzung wird die verschärfte Hausordnung endgültig angenommen. 
20. März. Forderungen gegenüber Montenegro. 
Der Gesandte in Cetinje unternimmt bei der montenegrinischen Re- 
gierung energische Schritte, um Genugtuung für die eklatanten Verstöße 
gegen das Völkerrecht, welche die österreichisch-ungarische Würde schwer ver- 
letzten, zu fordern. Sollte die montenegrinische Regierung die gestellten 
Bedingungen nicht erfüllen, so würde die diplomatische Aktion eine nach- 
drücklichere Form annehmen, schließlich würden, wenn nötig, auch Macht- 
mittel zur Anwendung gelangen, um Oesterreich-Ungarn Genugtuung zu 
verschaffen. Oesterreich-Ungarn fordert: 1. Freien Abzug der Nichtkom- 
battanten aus Skutari. 2. Die Ermordung des Pfarrers Pater Palic durch 
die Montenegriner bei Dschakowa muß völlig aufgeklärt werden. Oester- 
reich-Ungarn forderte wegen der bestialischen Ermordung des Pfarrers eine 
Untersuchung mit Zuziehung von österreich-ungarischen Konsulatsbeamten 
durch die Montenegriner. Die montenegrinische Regierung lehnte die For- 
derung ab, indem sie erklärte, daß in dem von den Montenegrinern be- 
setzten Gebiete nur die Montenegriner selbst Untersuchungen anzustellen 
hätten. Diese Antwort bedeute einen unfreundlichen Akt gegenüber Oesterreich- 
Ungarn. 3. Sofortige Einstellung der Zwangsübertritte zur Orthodoxie in 
Albanien. 4. Für die Gewalttaten, welche gegen die Besatzung des Dampfers 
„Skodra“ in San Giovanni di Medua begangen wurden, muß volle Ge- 
nugtuung geboten werden. 
28. März. (Wien.) Ernennung des Abtes Piffl von Kloster- 
neuburg zum Erhzbischof. 
4. April. (Wien.) Nach vierwöchiger Krankheit unternahm 
der Kaiser im offenen Wagen seine erste Ausfahrt. 
5. April. (Ungarn.) Wendung in der Affäre des früheren 
Staatssekretärs Zoltan Desy, der den Ministerpräsidenten Lukacs 
in öffentlicher Versammlung als den größten Panamisten Europas 
bezeichnete, weil er einen Betrag von 4,8 Millionen, den die 
Ungarische Bank= und Handels-Aktiengesellschaft für das Zustande- 
kommen gewisser Verträge mit dem Staate bezahlte, statt der Staats- 
kasse der Parteikasse der Regierungspartei zugeführt habe.
	        
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