Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

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Glaubensbekenntnisses, wenn in dem Exposé vom 5. November vorigen 
Jahres der Gedanke zum Ausdruck kam, daß wir bereit seien, der durch 
die Siege der Balkanstaaten geschaffenen neuen Situation in weitgehender 
Weise Rechnung zu tragen. Wir könnten uns um so mehr zu dieser Fest- 
stellung bestimmt finden, als die Monarchie mit der Erwerbung Bosniens 
und der Herzegowina ihre territoriale Expansion am Balkan als ab- 
geschlossen betrachtet hat und ein Abgehen von diesem seitens meines Vor- 
gängers klar präzisierten Standpunkte weder unseren wohlerwogenen In- 
teressen noch dem von mir stets betonten Grundsatze der Kontinuität ent- 
sprochen haben würde. 
Unser wohlwollendes Verhalten gegenüber den siegreichen Balkanstaaten 
hat aber selbstverständlich nicht den Verzicht auf die Geltendmachung gewisser 
spezifischer Interessen der Monarchie bedeuten können, daher es uns auch 
nicht möglich war, auf die in jenen Tagen in Umlauf gebrachte Des- 
interessementformel einzugehen. Diese spezifischen Interessen, die sich in der 
Schaffung eines selbständigen Albaniens, in der Verhütung einer Macht- 
verschiebung in der Adria und in der tunlichsten Schaffung dauernder Zu- 
stände auf der Balkanhalbinsel zusammenfassen lassen, mit — wenn irgend 
möglich — friedlichen Mitteln durchzusetzen, war fortan der Gegenstand 
unseres diplomatischen Wirkens. Wir haben nicht ermangelt, davon sowohl 
die Großmächte wie die interessierten Balkanstaaten entsprechend in Kenntnis 
zu setzen und gleichzeitig als Prinzip aufzustellen, daß wir zwar die Kriegs- 
operationen nicht behindern wollen, uns aber vorbehalten müßten, nach Be- 
endigung des Waffenganges die Respektierung unserer Forderungen seitens 
der Alliierten zu verlangen. Die unfreundliche Haltung, die von manchen 
Stellen, sowohl am Balkan wie anderwärts, unseren Ansprüchen — trotz- 
dem dieselben über den Bereich unserer legitimen Interessen nicht hinaus- 
gingen — entgegengestellt wurde, ließ besorgen, daß der Kontakt unter den 
Großmächten gestört und eine friedliche Austragung vereitelt werden könnte, 
was das Londoner Kabinett zur Anregung des Zusammentretens der Bot- 
schafterkonferenz veranlaßte. Wir haben uns unter dem ausdrücklichen Vor- 
behalte, daß die Kreierung eines autonomen albanesischen Staatswesens 
nicht auch in Frage gestellt werden dürfe, wogegen Serbien ein ausschließlich 
kommerzieller Zugang zur Adria zuzusprechen wäre, bereit erklärt, an der- 
selben teilzunehmen. Wir haben uns von allem Anfange an darüber keinen 
Illusionen hingegeben, daß der Botschafterreunion eine äußerst heikle und 
schwierige Aufgabe zuteil geworden war, und daß die Bereinigung der der- 
selben zugewiesenen Fragen bei aller Klugheit und Gewandtheit der Re- 
präsentanten der Mächte, bei aller Energie und Umsicht der dem englischen 
Staatssekretär zugefallenen Leitung, für welche ganz Europa nur Worte 
des Dankes und der Anerkennung finden kann, eine lange, heiße, mühe- 
volle diplomatische Arbeit in Anspruch nehmen werde. Eben deswegen war 
in jener Zeit, wo die elektrische Spannung in Europa trotz der Entscheidungs- 
schlachten von Kirk Kilisse und Lüle Burgas noch kaum nachgelassen hatte, 
wo ungewöhnliche militärische Maßnahmen im westlichen Rußland Be- 
unruhigung hervorrusen mußten, wo die andauernd ablehnende Haltung 
Bulgariens gegenüber den Forderungen Rumäniens nach territorialen 
Kompensationen neuen Konfliktsstoff im nahen Orient erzeugte, das Zu- 
sammenarbeiten der Diplomaten am Konferenztische eine Sicherung und 
Aufrechterhaltung des Kontaktes unter den Mächten und damit eine, wenn 
auch nicht unbedingte Garantie für die Erhaltung des Friedens. Darum 
harrten wir auf der Reunion aus und entschlossen uns zu manchen Kon- 
zessionen, die, wenn auch nur gegen entsprechende Konpensationen gewährt, 
uns nicht immer leicht fielen. Der mühsame Pfad führte uns schließlich 
 
	        
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