482 Veringal. (Februar 24.—Juni 10.)
. Februar. (Kammer.) Der Minister des Außern über
angeblich englisch-deutsche Verhandlungen über die Aufteilung portu-
giesischer Kolonien:
„England denkt nicht daran, eine internationale Konferenz über
koloniale Angelegenheiten zu veranlassen. England weiß, daß seine Gefühle
gegenüber seinen Verbündeten ihm nicht gestatten, in Unterhandlungen ein-
zutreten über einen Vertrag, eine Konvention oder ein Abkommen, die so
beschaffen wären, daß sie die Souveränität und Integrität der portugiesischen
Kolonien antasten könnten. Zwischen England und Deutschland besteht kein
Vertrag, keine Konvention und kein Abkommen solcher Art. Es ist un-
richtig, daß Unterhandlungen in diesem Sinne angeknüpft worden sind.
Deutschland befaßt sich durchaus nicht mit einer internationalen Konferenz
zur Beratung der Kolonialfrage und es weist den Gedanken zurück, eine
Verletzung- unserer Souveränitätsrechte ins Auge gefaßt zu haben.“
27. April. (Lissabon.) In der Nacht wurden an verschie-
denen Stellen Bomben geworfen und Revolverschüsse abgegeben;
wahrscheinlich als Zeichen zum Beginn der Bewegung erschienen
vor mehreren Kasernen Gruppen von Demonstranten, die von den
Bürgern mit Hilfe der Polizei und der rupublikanischen Garde
zerstreut wurden.
6. Mai. (Kammer.) Ministerpräsident Affonso Costa be-
richtet über den Aufstandsversuch:
Etwa 100 Offiziere, Unteroffiziere und Zivilisten, die wegen der
letzten Vorgänge festgenommen worden waren, sind gestern auf dem als
Hilfskreuzer verwendeten Postdampfer „Cabo Verde“ nach Angra (Azoren!
eingeschifft worden, wo sie abgeurteilt werden sollen. Andere, deren Schuld
noch nicht feststeht, bleiben in Lissabon, wo sie entweder freigelassen oder
in der Festung gefangen gesetzt werden sollen. Unter ihnen befinden sich
die Kapitäne Cerejo und Carrazeda Andrade.
29. Mai. (Senat.) Der portugiesische Kolonialbesitz in Afrika.
In Beantwortung einer Interpellation wegen der Meldungen aus-
wärtiger Blätter über ein angebliches englisch-deutsches Abkommen betreffend
die Einflußsphären in Süd= und Mittelafrika zum Schaden der portugie-
sischen und belgischen Kolonien sagt der Minister des Aeußern: Die Re-
gierung hat allen Grund zu erklären, daß keine Tatsache die Lage ändert,
wie sie von Vasconcellos, als er Ministerpräsident war, vor dem Parla-
ment dargelegt worden ist, und daß solche Meldungen der Begründung
entbehren.
30. Mai. Die Deputiertenkammer hat die Aufhebung der Ge-
sandtschaft beim Vatikan gebilligt sowie die der Konsulate in Madrid,
Rom und Berlin, deren Funktionen an die betreffenden Gesandt-
schaften übergehen.
10. Juni. (Lissabon.) Bombenattentat.
Die Gedächtnisfeier für den Dichter Camoens, die in der Haupt-
stadt unter großer Beteiligung gefeiert wird, begann mit einem Festzuge,
der sich aus mehreren hundert Kindern und jungen Schülern zusammen-
setzte, die zum Denkmal des Dichters zogen, um dort Blumen niederzulegen.