Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Greßbritannien. iMãärz 26.) 503 
würden unsere Flotteninteressen oder die nationale Sicherheit in irgend- 
einer erkennbaren Weise gefährdet werden? Wir haben heute gute Schiffe, 
sie sind die besten in der Welt, bis bessere gebaut werden. Können sie nicht 
ein Jahr die Herrschaft behalten, bevor sie zurückgesetzt werden? Warum 
sollten wir alle nicht für ein Jahr im Schiffsbau einen Feiertag ein- 
treten lassen, soweit eine neue Konstruktion oder unter allen Umständen 
eine neue Konstruktion eines Linienschiffes in Betracht kommt? Das ist die 
Frage, die ich im vorigen Jahre gestellt habe, das ist der Vorschlag, den 
ich in diesem Jahre wiederhole. Er schließt keine Aenderung in der rela- 
tiven Stärke der Flotten in sich ein und er bedingt nicht das Aufgeben 
irgendeines Plaues bezüglich der Flottenorganisation oder der Flotten- 
vermehrung, er widerstreitet keinem System eines Flottengesetzes, er schließt 
keine Einschränkung der wirklichen Flottenstärken ein. Er ist so einfach, daß 
er zu keinen Mißverständnissen führen kann. Die Finanzen eines jeden 
Landes würden eine Entlastung erhalten, keine Flotte würde im geringsten 
benachteiligt sein. Wir in Großbritannien können mit Aufrichtigkeit über 
einen derartigen Plan sprechen. Unsere Schiffstechnik ist nicht minderwertiger 
als die irgendeiner anderen Macht; unsere Erfahrungen sind weit größer, 
unsere Hilfsmittel sind reichlicher, unsere Pläne haben auf dem Weltwett- 
bewerb die alte Ueberlegenheit behauptet, und nach dem, was wir von 
anderen Ländern hören, unterliegen unsere Preise und die Qualität unserer 
Arbeiter gewiß keinem Tadel. In jedem Jahr, solange die neuen Schiffe 
gebaut werden, werden wir die besten bauen, die die Wissenschaft erfindet. 
Wir werden unser Bestes tun, die Fährung der Konstruktion aufrecht- 
zuerhalten, die für die Herrschaft zur See nicht weniger wichtig ist als das 
Uebergewicht in der Anzahl. Es ist kein Appell der Schwäche, des keuchen- 
den Zurückbleibens, sondern ein Appell der Stärke des in der Front Strei- 
tenden, den wir an alle Nationen richten und an keine Nation mit größerer 
Aufrichtigkeit als an unseren großen Nachbar jenseits der Nordsee. Lassen 
Sie mich sofort und unreserviert im Namen der Regierung sagen, wie sehr 
wir den ruhigen und freundlichen Ton und die Stimmung bei den letzten 
deutschen Marinedebatten begrüßen. Nach einer Zeit tätiger Vorbereitungen 
für die Marine ist es befriedigend zu finden, daß unsere Beziehungen sicht- 
lich und fühlbar sich gebessert haben, und dies nach den Gefahren und Be- 
klemmungen, unter denen Europa in den letzten Monaten gestanden hat. 
England und Deutschland haben die Ueberzeugung gewonnen, daß es beider 
Wunsch ist, den Frieden zu bewahren. Die Gefühle des guten Willens, das 
wachsende gegenseitige Vertrauen und die gegenseitige Achtung tragen viel 
dazu bei, dem Wettstreit auf dem Gebiet der Marine die Unruhe und Ge- 
fahr fortzunehmen und uns zu erlauben, den ehernen Tatsachen der Lage 
mit Ruhe und mit einem gewissen Gleichmut entgegenzutreten. Wir dürfen 
ferner nicht versuchen, die deutsche Marinepolitik unseren Wünschen an- 
zupassen durch eine zu genaue Interpretation der freundlichen Sprache, die 
in Deutschland mit der Absicht zu beruhigen geführt worden ist. Wenn 
zum Beispiel gesagt würde, Herr v. Tirpitz habe anerkannt, daß Englands 
Uebergewicht von 16 zu 10 an Dreadnoughts das Einverständnis von 
Deutschland habe — und dieses Uebergewicht besteht tatsächlich bereits jetzt 
fast genau — Deutschland dürfe daher folgerichtig nicht beginnen, ein neues 
Schlachtschiff zu bauen, bevor wir es tun, so würde dies sehr schaden, und 
wenn der Staatssekretär des Aeußern in diesem Punkt auf die deutsche Re- 
gierung einen Druck ausüben und sie auf diplomatischem Wege drängen 
würde, in diesem Jahre keine neuen Schiffe zu bauen, so würde dies nur 
zu Rekriminationen führen. Tatsächlich ist das deutsche Bauprogramm von 
drei neuen Schiffen für das Jahr 1013 bereits vom Reichstag angenommen 
 
	        
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