Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Großbrilaunien. (Juli 31. — August 12.) 513 
Rücksichten beeinflußt, die ihr eigenes Interesse erfordert, und was die 
Gesamtheit der Mächte anlangt, durch den gemeinsamen Wunsch, den 
Frieden Europas zu bewahren. Ich glaube, ihre Altion wird weiter von 
diesen beiden Interessen geregelt werden. 
31. Juli. Die Regierung hat den Vereinigten Staaten den 
Entschluß mitgeteilt, sich an der Ausstellung von San Francisco 
im Jahre 1915 zur Feier der Eröffnung des Panamakanals nicht 
beteiligen zu wollen. 
1. August. Sitzung der Botschafterreunion. Da Schweden, 
das zahlreiche Offiziere in Persien hat, nicht in der Lage ist, die 
wahrscheinlich beträchtliche Anzahl von Offizieren für Albanien zu 
stellen, so beschloß die Konferenz, sich an Holland zu wenden. 
12. August. (Unterhaus.) Sir Edward Grey über die 
Balkankrisis. 
Wir haben das Stadium erreicht, in dem das europäische Konzert 
so sest begründet ist, daß die bloße Tatsache der Vertagung der Botschafter- 
vereinigung keinen Zweifel an der Gesundheit und an dem Mohlbefinden 
des Konzertes erregen wird. Grey erinnerte an Ursprung und Ziel der 
Botschaftervereinigung und sagte: Ihre Hauptaufgabe war die, unter den 
Mächten eine Verständigung über die albanische Frage und über die Inseln 
im Aegäischen Meere zu erzielen. Die Verständigung über beide Fragen 
ist erreicht. Was Albanien angeht, so wird eine internationale Kontroll- 
kommission eingesetzt werden, deren Hauptaufgabe es ist, den autonomen 
Staat mit einem Fürsten an der Spitze zu errichten, der von den Mächten 
gewählt werden wird. Was die Aegäischen Inseln betrifft, so hat England 
durch seine Stellung am Mittelmeer ein besonderes Interesse daran, daß 
keine der Inseln von einer der Großmächte in Anspruch genommen oder 
behalten wird. Hierüber haben wir eine Verständigung erzielt. Das Schick- 
sal aller dieser Inseln, einschließlich derer, die augenblicklich von Italien 
okkupiert sind, interessiert alle Großmächte, und wird schließlich von ihnen 
entschieden. Keine der Großmächte wird eine der Juseln für sich behalten. 
Die Frage, was geschehen würde, fing an kritisch zu werden, als die Türkei 
die Ausführung der Bestimmungen des Vertrages von Lausanne auf un- 
bestimmte Zeit hinauszögerte und die italienische Okkupation daher auf 
unbestimmte Zeit fortdauerte. Italien ließ uns keinen Augenblick im Zweifel, 
daß es beabsichtige, seinen Teil an dem Vertrag zu erfüllen, wenn die 
Türkei den ihren erfüllt. Wir haben alles Vertrauen in den guten Glauben 
Italiens und wissen, daß es die Türkei drängt, ihren Teil des Vertrages 
zu erfüllen. Daher braucht uns die Frage des unbestimmten Aufschubs 
gegenwärtig nicht zu beschäftigen. Was die gegenwärtige Lage betrifft, so- 
bestehen zwei sehr ernste, schwierige Fragen, nämlich die schließliche Ent- 
scheidung über Thrazien und Mazedonien. Hinsichtlich Thraziens hat sich 
die türkische Regierung über den Frieden von London hinweggesetzt, der 
unter den Auspizien der Mächte geschlossen wurde, und hat Thrazien und 
Adrianopel besetzt. Die Mächte erhoben Vorstellungen in Konstantinopel 
in dem Sinne, daß die Linie Enos—Midia im großen und ganzen respek- 
tiert werden müsse. Dabei hatten sie jedoch jeden Punkt zu berücksichtigen, 
den die Pforte als unerläßlich für die Verteidigung der Grenze erachtet. 
Eine gute Grenze kann auf der Grundlage des Friedens von London ge- 
schaffen werden, aber der Besitz Thraziens und Adrianopels würde nach 
Europäischer Geschichtskalender. LIV. 33
	        
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