Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

516 Grosbrü#nnien. (Oktober 7.—11.) 
Zeit ankerte im Hafen die stärkste englische Kriegsflotte, die jemals 
in einem nördlichen Hafen konzentriert war. 
7. Oktober. (London.) Aus der Rede des Lord-Mayors 
Sir David Bernette bei einem von dem dortigen Verein deutscher 
Reserveoffiziere veranstalteten Festessen. 
Die Presse sei mehr als irgendein anderer Faktor an der Erhaltung 
des Friedens und der Besserung der Beziehungen zwischen den Nationen, 
aber auch für das Gegenteil verantwortlich. Zwischen England und Deutsch- 
land bestehe gewiß eine Rivalität. Diese sei von der Art, daß die ganze 
Menschheit davon Nutzen ziehen könnte. Für ein ernsthaftes Mißverständnis 
sei kein Grund vorhanden. Deshalb sei es für jeden guten Bürger beider 
Länder eine Pflicht, stets dafür zu sorgen, daß es zwischen England und 
Deutschland nie zu einem Kriege kommen dürfe, es sei denn, daß die Welt 
zu klein geworden wäre, um Raum für ein britisches und ein deutsches 
Reich zu haben. 
9. Oktober. (Dundee.) Aus einer Rede Sir Winston Chur- 
chills über das Verhältnis zu Deutschland. 
Während die Entwicklung der britischen Seemacht Fortschritte ge- 
macht hat, haben sich unsere Beziehungen zu dem mächtigen Deutschen 
Reich bis heute ständig gebessert; sie stehen auf einer durchaus befriedigenden 
Grundlage. Für die Nationen der Welt drohte die Gefahr, daß zwischen 
ihnen Feindschaft entstehe, viel mehr von einer Panik als von der ruhigen 
Sicherung ihrer Stärke. 
11. Oktober. Der auf der Fahrt von Rotterdam nach Neu- 
york befindliche Dampfer „Volturno“ der Cunard Line geriet auf 
hoher See in Brand, 521 Passagiere wurden gerettet, mehr als 
100 Personen vermißt. 
11. Oktober. (Bedford.) Lloyd George gegen den englischen 
Großgrundbesitz. 
Der Schatzkanzler Lloyd George hat den angekündigten Feldzug der 
Regierung gegen den Großgrundbesitz mit einer Rede eröffnet, in der er 
sagte: „Die Regierung hat den Wunsch, das Volk aus dem Elend zu er- 
heben, und die Zeit ist gekommen, gegen die große Macht der Grundherren 
vorzugehen.“ Der Minister verweilte bei den unleidlichen Verhältnissen der 
Landarbeiter und betonte scharf, sie müßten anständig behandelt und gut 
untergebracht und ihnen der Weg zum Fortschritt gebahnt werden. Der 
größte Teil des Landes in England befinde sich in den Händen weniger 
Leute, die das Land zur Wildnis machen, es in diesem Zustand erhalten 
könnten, und die gesetzlichen Befugnisse besäßen, Schlimmeres anzurichten 
als ein fremder Eindringling in erobertem Lande. Jedes Land in Europa 
sei sich klar darüber, daß es für Verteidigungszwecke das Allerwichtigste 
sei, eine zahlreiche und kräftige Bevölkerung auf der Scholle zu haben. 
Die Statistik zeige, daß in England der Prozentsatz des kultivierten Landes 
geringer sei als in irgendeinem anderen Lande Europas. Der Minister 
ging sodann auf die Lage der Ackerbauer ein und erklärte, daß die niedrigen 
Löhne und die Lage der landwirtschaftlichen Arbeiter eine Schande für das 
reiche und mächtige Land seien. Die ganze Lage müsse neu gestaltet werden, 
indem man die besten Arbeitskräfte durch Sicherung auskömmlicher Löhne 
und einer besseren Lage auf das Land ziehe. Erweiterte Transportgelegen-
	        
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