534 Frankreich. (Februar 21.—24.)
reich, das sich durch seine eigenen Fehler den Herausforderungen und De-
mütigungen ausgesetzt hätte, wäre nicht mehr Frankreich. Es hieße ein
Verbrechen gegen die Zivilisation begehen, wenn wir unser Land verfallen
ließen inmitten so vieler Völker, die ohne Unterlaß ihre militärische Kraft
entwickeln. Unsere Armee und unsere Flotte geben uns Beweise ihrer Hin-
gabe und ihrer Tüchtigkeit. Wir müssen mit Wachsamkeit unsere Gedanken
auf sie lenken und dürfen vor keinem Aufwand, vor keinem Opfer zurück-
weichen, um sie mächtiger und stärker zu machen. Sie sind in ihrer stillen
Arbeit die nützlichsten Hilfsmittel unserer Diplomatie. Wenn wir für den
Frieden und die Einigkeit sprechen, so finden unsere Worte um so eher
Gehör, je besser wir gerüstet und entschlossen sind. Seit mehreren Monaten
arbeiten wir mit dem gesamten Europa daran, die Gefahren einer furcht-
baren Krisis zu beschwören. Gestützt auf das Vertrauen des Parlaments
und des Landes, sicher der Treue unserer Verbündeten und Freunde wird
die Regierung der Republik mit Ausdauer eine offenherzige Politik der
Klugheit und Entschlossenheit verfolgen. Um dieser Politik zu dienen, d. h.
um ihre Einheit in der Zukunft aufrecht zu erhalten, werde ich meine
ganze Kraft einsetzen.“
21. Februar. Die Vorarbeiten für die französische Heeres-
reform.
Der Kriegsminister Etienne führte den Vorsitz in der ersten gemein-
samen Beratung aller Abteilungschefs des Kriegsministeriums zur Prüfung
der Vorschläge, die sich auf das neueinzuführende Rekrutierungesystem be-
ziehen: dreijährige Dienstzeit für die berittenen und dreißigmonatige Dienst-
zeit für die übrigen Waffengattungen, oder: dreißigmonatige Dienstzeit für
alle Waffengattungen ohne Ausnahme. Ferner Entschädigungen und Vor-
teile für die Kavallerie und die berittene Artillerie für den Fall der drei-
jährigen Dienstzeit, Einberufung der Jahresklassen in zwei Serien, oder,
wie bisher, in einer einzigen. Schließlich sollen die Mittel geprüft werden,
durch die eine möglichst große Anzahl von Kapitulanten, insbesondere von
Unteroffizierskapitulanten, gewonnen werden kann. Zu diesen Vorschlägen
liegt ein Gutachten des früheren Generalissimus Lacroix vor, der seine
Ansicht von der Notwendigkeit der dreijährigen Dienstzeit damit begründet,
daß die gegenwärtige Heeresziffer in Wahrheit nur 405,900 Mann beträgt.
21. Februar. (Kammer.) Annahme eines Zusatzantrages
zu dem Finanzgesetz, wonach vom 1. Januar 1915 ab an die Stelle
der vier direkten Kontributionen eine allgemeine progressive Ein-
kommensteuer treten soll.
22. Februar. (Paris.) Im „Echo de Paris“ tritt der kon-
servative Abgeordnete Graf de Mun mit großem Nachdruck für die
Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit ein, durch die die
französische Armee um 200 000 Mann vermehrt werden würde.
Auf den Einwand, daß durch die Heranziehung der gesamten fran-
zösischen Jugend zum dreijährigen Dienst die französische Geistesarbeit eine
schwere Schädigung erleiden müsse, könne nur erwidert werden, daß es kein
Diplom gäbe, das so viel wert sei wie das Heil des Vaterlandes.
24. Februar. (Paris.) Mißtrauen gegen Italien.
In der Erörterung der Rede San Giulianos schreibt der „Rappel“:
„Niemand wird mehr sagen können, daß Deutschland sich von seinen Ver-