42 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. Februar 3.,
Polenpolitik unternommen worden ist. Nein, in bezug darauf ist der
Reichstagsbeschluß genau so belanglos, als wenn der Reichstag beschlossen
hätte, die Sonne sollte nicht mehr scheinen (große Heiterkeit und Unruhe):
in bezug auf die Ausführungen unserer Gesetze werden wir immer tun,
was wir für recht halten. Gegenüber der Behauptung, daß die Polen-
politik in den Ostmarken Unkultur und Barbarei sei, steht fest und wird
allgemein anerkannt, daß das Werk der Ansiedlungskommission ein Kultur-
werk ersten Ranges ist, daß es den Standard os hice der polnischen Landes-
teile sehr wesentlich gehoben hat. Als Preußen diese von der glorreichen
polnischen Republik übernahm, war dort Verelendung, Unkultur und Bar-
barei; was die Preußen polnischer Zunge an Hebung der Kultur erhalten
haben, haben sie doch durch die Fürsorge des preußischen Staates erhalten.
(Lebhafte Zustimmung r.) Was wir an dem Reichstage auszusetzen haben,
und wogegen wir Verwahrung einlegen müssen, ist, daß er zu seiner Kritik
nicht zuständig war, sondern allein der preußische Landtag. daß er sich
also eines schweren Uebergriffs und eines schweren Eingriffs in die Be-
fugnisse des preußischen Landtags schuldig gemacht hat. Dies zu erklären,
ist nicht nur unser Recht, sondern auch unsere Pflicht, wir sind das dem
Reichstag selbst schuldig. Unser Recht, uns mit Reichsangelegenheiten zu
befassen, ist ganz anders begründet als die Zuständigkeit des Reichstags,
weil Preußen, das preußische Staatsministerium, bei allen gesetzgeberischen
Aktionen des Reiches eine bestimmte Mitwirkung hat und einen bestimmten
Einfluß ausüben muß. Die Kontrolle dieses Einflusses müssen wir uns
wahren und darauf halten, daß dieses Rechtsverhältnis unverkümmert
bleibt. Das Reichsamt des Innern hat keine eigene Verwaltung, es kommt
deshalb mit dem praktischen Leben nicht unmittelbar in Berührung, es
arbeitet unter der Studierlampe. Seine ganze Tätigkeit konzentriert sich
außerdem in der Gesetzgebung; um seine Existenzberechtigung zu beweisen,
liegt es nahe, alle Jahre Hunderte von Gesetzesparagraphen zu produzieren.
(Lebhafte Zustimmung r.) Dazu kommt, daß im Reichslage die üble Ge-
wohnheit herrscht, Hekatomben von Resolutionen anzunehmen. Dazu kommt,
daß in der Wilhelmstraße 74 eine Art Jufektionsherd besteht; die Geschäfte
werden dort geleitet nicht von Ministern, die die Parlamente führen können,
sondern die von einer sehr bedauerlichen Anpassungsfähigkeit auch an die
Wünsche der Mehrheit des Reichstages nicht frei sind. Zur Lösung großer
Aufgaben, wie der Ueberwindung der Sozialdemokratie, reicht diese Art
von Regierungskunst nicht aus. Der Vorgang mit dem Wohnungsgesetz,
auf dessen Vorlegung die Reichstagsmehrheit drängt, ist allgemein in der
Welt als eine Drohung an Preußen auf#gefaßt worden. Nach der ganzen
Einrichtung unserer Behörden ist das Reichsamt des Innern ständig in
voller Kenntnis von allen Schritten der preusischen Regierung gewesen, es
hat gewußt, daß das preußische Gesetz beschlossen war, daß es sofort nach
der Allerhöchsten Genehmigung veröffentlicht werden sollte. Und wenn
Herr v. Schorlemer hier neulich betont hat, daß es Aufgabe der Regierung
sei, die Wirkung ihrer Erklärungen zu beachten, so wird ein kluger Mann
wie Herr Delbrück sich sagen müssen, daß eine Erklärung wie die seinige
Staub aufwirbeln muß. Sie hat ja auch sofort in der Presse den Gegensatz
zwischen Delbrück und Dallwitz, die Regierungskrise im Reich und andere
Dummheiten entstehen lassen. Wir werden angesichts der demokratischen
Angriffe gegen Preußen dafür zu sorgen haben, daß die preußische Mon-
archte in ihrer Eigenart gewahrt bleibt. Ich stimme dem Abgeordneten
Friedberg darin zu, daß unser preußisches Wahlrecht gegen jeden Angrift
des Reichstags standhalten muß. Wir halten an dem bewährten Grund-
gedanken unseres Wahlrechtes fest, das nur soweit geändert werden darf,