Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Deufiche Reich und feine eimelnen Glieder. (Februar 3., 43 
als es der wirklichen Wichtigkeit der Stimmen entspricht, und daß der 
überwiegende Einfluß des Mittelstandes in Erscheinung tritt. Dem demo- 
kratischen Ansturm werden wir mit aller Kraft entgegentreten und die 
Eigenart des preußischen Staates erhalten. (Lebhafter Beifall r.) 
Abg. Gronowski (3.): Wir sind der Ansicht, daß das Enteig- 
nungsgesesßz nichts weiter als eine Anleihe bei dem sozialdemokratischen 
Parkeiprogramm ist. (Sehr richtig! im Z.) Daran können alle Doktrinen 
der Staatsrechtslehrer nichts ändern. Wir halten das Enteignungsgesetz 
für verderblich. Unter der Firma des „Staatswohls“ kann man alle mög- 
liche Bestrebungen decken. Ich verweise auf Portugal. Ein Volksstamm, 
der immer geprügelt wird wie ein Kind, ist kein sicherer Gewinn für uns. 
Die Polen haben Deutschlands Einigkeit miterkämpft. Die preußische Staats- 
regierung würde sich nichts vergeben, wenn sie als erste die Hand zur Ver- 
söhnung böte. Die Fehler der Polen will ich keinesfalls beschönigen, aber 
ein solches Entgegenkommen würde für alle Teile vorteilhaft sein. Wenn 
die Zahl der Freunde des Reichstagswahlrechts seit den letzten fünf 
Jahren zurückgegangen ist, so haben die Sozialdemokraten die Haupt- 
schuld: ich erinnere bloß an den Pfuiempfang den sie im Februar 1910 
dem Reichskauzler von Bethmann Hollweg bei seinem Eintritt in diesen 
Saal bereiteten. An der Reform des Wahlrechts werden wir mit größtem 
Eiser weiter mitarbeiten: von der Forderung des geheimen Wahlrechts 
konnen wir nicht ablassen. Man verlangt mehr Bürgerliche in den höheren 
Regierungsstellen; aber es sollte doch auch selbst von Herrn v. Campe 
mehr Parität für die Konfessionen verlangt werden. Aber das Ministerium 
des Innern ist katholikenfrei, und von 500 Landräten sind nur einige 
sechzig katholisch. Besonders ungünstig stellt sich in dieser Beziehung die 
Provinz Schlesien. Im Lande hat sich neuerdings ein gewisses Gefühl der 
Unsicherheit in der Bevölkerung festgesetzt, eine angesichts der erschreckenden 
Vermehrung der Morde, Ueberfälle usw. wohl begreifliche Erscheinung. 
Die Ursache für diese Steigerung der Unsicherheit liegt auch in den üblen 
Wirkungen gewisser Kinovorführungen: hier sollte eine Konzessionspflicht 
eingeführt werden. Für das ganze Deutsche Reich sollte eine einheitliche 
Filmzensur errichtet werden. Die Regierung würde sich ein Verdienst 
erwerben, wenn sie sich bei der Erteilung der Konzessionen für Kinotheater 
mit dem Verband jugendlicher Arbeitervereine in Verbindung setzen würde. 
Die Reklame des Kinos ist außerordentlich gefährlich und wirkt aufs die 
Jugend überaus aufreizend. Wenn hier von der Regierung schnell Ab- 
hilfe geschaffen werden würde, dann würde die öffentliche Sicherheit sehr 
gefördert werden und nicht so viel zu wünschen übrig lassen, wie es heute 
der Fall ist. 
Abg. Hammer (k.): Wenn der Kreis Teltow Treptow nicht her- 
geben will, so ist das nur Notwehr. Der RKreis hat bisher nur kapital- 
kräftige Gemeinden verloren, aber seine Lasten sind dieselben geblieben. 
So droht auch Steglitz mit seinen 80000 Einwohnern aus dem Kreise aus- 
uscheiden. 30 Vororte Berlins bringen für den Kreis Teltow neun Zehntel 
sämtlicher Steuern auf. Treptow steht dabei an siebenter Stelle. Diesen 
Ort will sich Berlin einverleiben. Wir bezahlen alljährlich über eine Million 
Zuschuß für den Teltowkanal. Dieser ist gerade im Znteresse der Vororte 
gebaut worden. Die Nähe Berlins legt uns aber auch noch andere grose 
Pflichten auf. Ich möchte nur auf den großen Automobilverkehr hinweisen. 
Für ihn mußten in letzter Zeit allein 56 Kilometer Kreischausseen aus- 
gebaut werden. Im ganzen hat der Automobilverkehr der Großstädte den 
Ausbau von 83 Meilen Kreischausseen notwendig gemacht. Diese müssen 
in Zukunft unterhalten werden, genau so wie die Krankenhäuser, die doch
	        
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