Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

562 Erankrei. (Oltober 15. 16.) 
15. Oktober. Auf Grund seines Manöverberichtes beantragt 
Generalstabschef Joffre die Entlassung von drei Korpskommandanten. 
Es sind die Generale Faurie (16. Korps) in Montpellier, Plagnol 
(17. Korps) in Toulouse und Courbebaisse (11. Korps) in Lyon. Außerdem 
verlangt er die Entlassung der Generale Alba und Besset wegen Unsähig- 
keit, Generalstabskarten richtig zu lesen. 
16. Oktober. Armeeskandale. 
Kriegsminister Etienne übermittelte dem Ministerrat, der sich unter 
Vorsitz Poincarés vereinigte, folgende Vorschläge des Obersten Kriegsrates: 
„Es seien infolge der bei den Herbstmanövern gemachten ungünstigen 
Wahrnehmungen in Disponibilität zu versetzen: der Gouverneur von Lyon 
General Courbebaisse sowie der Kommandeur des 17. Armeekorps in Tou- 
louse General Plagnol. Es sei in den dauernden Ruhestand zu versetzen 
der Kommandeur des 16. Armeekorps Montpellier General Faurie. Auch 
die Generale Alba und Besset sollen wegen ihrer bei den Manövern be- 
wiesenen Ungeschicklichkeit ihrer Stellungen enthoben werden.“ Zugunsten 
des Generals Faurie wollten mehrere Minister sich einsetzen, um ihm die 
Aussicht auf Wiederverwendung im Dienst zu erwirken. Aber in einer 
Unterredung, die der Kriegsminister dem General Faurie bewilligte, er- 
klärte dieser rundweg, auf jede Nachsicht verzichten zu wollen. Er ziehe es 
unter den gegenwärtigen Umständen vor, an die Oeffentlichkeit zu appel- 
lieren. In der Tat läßt Faurie in den Blättern ein offenes Schreiben an 
den Kriegsminister erscheinen, in dem der Manöverbericht des Generalissi- 
mus Joffre und die diesem Bericht zugrunde liegende, von General Chomer 
verfaßte Darstellung der Verhältnisse im 16. Armeekorps als durchaus un- 
richtig, parteiisch und zahlreiche innere Widersprüche enthaltend bezeichnet 
wird. Faurie fragt, in welchem Augenblick General Chomer eigentlich seine 
wahre Meinung zu erkennen gebe, ob in dem Augenblick, da er dem Kom- 
mandeur des 16. Korps ins Gesicht sagte: „Ihr braves Korps steht keinem 
anderen in Frankreich nach“ oder in dem Augenblick, als er jenen ver- 
nichtenden Rapport an den Generalissimus erstattete. Für Faurie gibt es 
nur eine Erklärung des merkwürdigen Widerspruchs: „General Chomer 
brauchte für die von ihm als Chef der roten Armee begangenen schweren 
Fehler einen anderen Schuldträger als sich selbst.“ Dann heißt es weiter: 
„Schon vor den Manövern wurde mir von einem ehemaligen Kriegs- 
minister mitgeteilt, daß ich, wenn es schief ginge, geopfert werden müsse 
und mit mir mein Divisionsgeneral Basset, der wie ich ein strammer Repu- 
blikaner ist. In der Annahme, daß man es gerade darauf abgesehen 
hatte, das 16. Armeekorps so schlecht als möglich abschneiden zu lassen, 
mußte ich dadurch bestärkt werden, daß man mir kurz vor den Manövern 
einen mir vollständig unbekannten Offizier als Generalstabschef zuteilte, 
einen Herrn, der keine blasse Ahnung von seinen Aufgaben hatte und keine 
andere Vorbereitung für diesen Dienst mitbrachte als ein ganz kurzes Ver- 
weilen im Großen Generalstabe — zu Ende des vorigen Jahrhunderts.“ 
Faurie schließt sein Schreiben mit der Versicherung, daß er mit dem Be- 
wußtsein scheide, daß ungerechtfertigte Maßregelungen notwendig Mißtrauen 
und Emmutigung im Offizierkorps hervorrufen müssen. Der Ministerrat 
hat alle Vorschläge des Obersten Kriegsrates unverändert angenommen. 
16. Oktober. (Paris.) Ssasonow über den Kontakt der Groß- 
mächte in der Orientfrage. 
Der russische Minister des Aeußeren Ssasonow, der von dem Prüäsi- 
denten Poincaré empfangen wurde und sodann mit dem Minister des
	        
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