Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

570 Fra#nkreich. (Dezember 2.—8.) 
Abstimmung über die Ziffer von 1300 Millionen, wozu die Regierung die 
Vertrauensfrage stellt. Die Anleihe von 1300 Millionen wird mit 291 
gegen 270 Stimmen angenommen. Die Regierung hat also eine Mehrheit 
von 21 Stimmen. 
2. Dezember. (Kammer.) Die Steuerfreiheit der Rententitel. 
Sturz des Ministeriums Barthou. 
Antrag des Abg. Delpierre betreffend das Steuerprivileg der 
Rente. Der Antrag lautet: „Die Eintragungsbescheinigung der Rente wird 
erwähnen, daß alle gegenwärtig bestehenden Steuerfreiheiten der Staats- 
renten aufrecht erhalten werden.“ Der Kommissionsberichterstatter Noulens 
erklärt, daß die Budgetkommission diese Formel nicht annehmen könne. Die 
Budgetkommission habe vorgeschlagen, daß in der Bezeichnung nur an- 
geführt werde, daß alle den früheren Renten verliehenen Vorrechte der 
neuen Rente verliehen seien. Wenn die Regierung diese Formel, die der 
Zukunft nicht vorgreife, ablehne, so solle sie diejenige des Antrages des 
Gemäßigten Roche annehmen, die offen die Steuerfreiheit erklärt, selbst für 
den Fall der Einführung einer Einkommensteuer. Der Ministerpräsident 
Barthou antwortet, die Regierung könne nur den Antrag Delpierre an- 
nehmen und sie stelle dazu die Vertrauensfrage. Der Ministerpräsident 
führte aus, daß die Regierung sich für verpflichtet halte, den Parteien, an 
die sie appelliere, zur Uebernahme der Anleihe eine Garantie für die Zu- 
kunft zu geben. Er polemisiert weiterhin in heftiger Weise gegen das Ver- 
halten der Budgetkommission, der er vorwirft, sie bedrohe den Kredit Frank- 
reichs. Der Berichterstatter der Budgetkommission und der Präsident der 
Kommission protestieren gegen diese Worte und die Kammer schreitet unter 
lebhafter Bewegung zur Abstimmung. Das Amendement Delpierre wird 
mit 290 Stimmen gegen 265 Stimmen abgelehnt. Die Regierung ist also- 
in der Minderheit. Der Präsident verkündet das Resultat, worauf sich der 
Ministerpräsident Barthou und die übrigen Minister entfernen, um ihre 
Demission nach dem Elysee zu tragen. Die Sozialisten rusen: Nieder mit 
der dreijährigen Dienstzeit! Die Kammer vertagt sich dann auf un- 
bestimmte Zeit. 
2. Dezember. Präsident Poincaré hat die Demission des 
Kabinetts angenommen und die zurückgetretenen Minister mit der 
vorläufigen Weiterführung der Geschäfte beauftragt. 
5. Dezember. Ergebnisse der durch Einführung der dreijährigen 
Dienstzeit erfolgten Aushebung der Zwanzigjährigen (Jahresklasse 
1913), die zum ersten Male zur Einstellung gelangen. 
Von 187 000 für den Dienst mit der Waffe brauchbaren Soldaten 
wurden 128000 den Fußtruppen, 16760 der Kavallerie, 30 380 der Artil- 
lerie, 54500 den Pionieren, 2160 dem Train und 3410 den Verwaltungs- 
truppen zugewiesen. Brauchbar zum Hilfsdienst sind 6970 Mann. Gegen 
die Jahresklasse 1912 (205735 Waffenfähige, 17038 zum Hilfsdienst brauch- 
bar) besteht demnach ein Weniger von 18735 oder 10068 Mann. 
8. Dezember. Das neue Kabinett: 
Präsidium und Aeußeres: Senator Doumergue; Inneres: Rene 
Renoult; Finanzen: Caillaux; Unterricht: René Viviani: Oeffentliche 
Arbeiten: Fernand David; Krieg: Noulens; Marine: Monis: Rolonien: 
Lebrun: Handel: Malvi: Arbeit und soziale Fürsorge: Letin; Ackerbau: 
Raynaud: Instizt Senator Bienvenn Martin.
	        
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