Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

572 krunkreich. (Dezember 15. 16.) 
erste Durchführung der dreijährigen Dienstzeit unentbehrlich sind, den not- 
wendigen Krediten für die Aufbesserung der Bezüge und den hundertvier 
Millionen, die von nun ab alljährlich die dritte Sektion des Budgets um- 
fassen wird. Die Rolle des Ministers besteht zur gegenwärtigen Stunde 
besonders darin, diese Hilfsquellen zu fordern. Das Parlament hat nun 
nie die Kredite verweigert, die von ihm im Namen der Nationalverteidigung 
verlangt wurden. Es handelt sich also nur darum, der Regierung einen 
genauen Begriff unserer militärischen Lage zu geben und sie zu veranlassen, 
in voller Sachkenntnis zu entscheiden, ob sie dieser unter ihrer Verantwor- 
tung entsprechen oder die Dinge ihren Lauf gehen lassen wird. 
15. Dezember. (Paris.) Der französische Botschafter in Peters- 
burg, Delcassé, ist eingetroffen, um mit der Regierung Fühlung zu 
nehmen. 
16. Dezember. Zurückziehung der Barthouschen Finanzvorlagen. 
Im Ministerrat unter Vorsitz des Präsidenten Poincaré legte Finanz- 
minister Caillaux zur Unterzeichnung zwei Dekrete vor, durch die der An- 
leiheentwurf und der Erbschaftssteuerentwurf der vorigen Regierung zurück- 
gezogen werden. Caillaux erklärte, er werde ein vollständiges Finanzpro- 
gramm erst dann aufstellen können, wenn er die Gesamtsumme der außer- 
ordentlichen Ausgaben für die nationale Verteidigung kenne. Er werde einen 
oder mehrere Gesetzentwürfe für eine Steuer auf erworbenes Vermögen 
einbringen. 
Caillaux wurde ermächtigt, einen Gesetzentwurf über zwei provisorische 
Budgetzwölftel für Januar und Februar einzubringen. 
16. Dezember. Anleihen als Hebel der auswärtigen Politik. 
Der russische Protest gegen die Versuche der französischen Bank, an 
der Pariser Börse für 50 Millionen Franken türkische Schatzbons unterzu- 
bringen, hat den Finanzminister Caillaux veranlaßt, in einem Rundschreiben. 
seine grundsätzliche Auffassung von der Zulassung fremder Staatsanleihen 
auf dem französischen Geldmarkt bekanntzugeben. Eine Note der Agence 
Havas besagt: Als Caillaux Finanzminister im Kabinett Clemenccau war, 
richtete er am 6. September 1907 an die Kreditinstitute ein Rund- 
schreiben, in dem er bekannt gab, daß er sich in nationalem Interesse der 
Zulassung solcher fremder Staatsanleihen zum Börsenhandel nachdrücklich 
widersetzen werde, die ohne vorherige Genehmigung von seiten. der Re- 
gierung fest abgeschlossen worden seien. Heute vervollständigt ein Rund- 
schreiben Caillaux die 1907 gegebenen Weisungen dahin, daß sie sich nicht 
allein auf eigentliche Anleihen und Emissionen aller Art beziehen, sondern 
auch auf Schatzanweisungen und allgemein auf alle Finanzoperationen, die 
geeignet sind, einem fremden Staat durch den Appell an den französischen 
Sparer, und besonders den kleinen Sparer, Hilfsquellen zu verschaffen. 
16. Dezember. (Senat.) Die Frage der türkischen Anleihe. 
Ministerpräsident Doumergue erklärte, daß die Regierung die Mili- 
tärvorlage durchführen werde, daß sie nach besten Kräften sich bemühen 
werde, die Landesverteidigung auszubauen und eine Frankreichs würdige 
auswärtige Politik durchzuführen. Auf eine Anfrage des Senators Goiran 
über die für die nächsten Tage angekündigte Emission einer türkischen An- 
leihe erklärte der Ministerpräsident, daß die Regierung von den inter- 
nationalen Banken nicht über diese Emission befragt worden sei. Der neue 
Finanzminister Caillaux hat daraus Anlaß genommen, den französischen 
Bankinstituten in Erinnerung zu bringen, daß sie keine Emission fest über-
	        
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